Montag, 21. Juni 2004
Zumal Klezmer mit Judentum eher nichts zu tun hat. Im Osten spielten Juden die eben Volksmusik ihrer Heimat, so wie meine Vorfahren "Heil Dir im Siegeskranz" sangen und Lohengrin chillig fanden. Nicht gut, nicht schlecht. Ich singe im Bad die Beastie Boys Ch Ch Check it out, oder die Ärzte - In einer kleinen Hütte, da wohnt sweet Gwendoline - und würde niemanden zwingen, das als jüdische Musik zu sehen. Ist aber dadurch genauso jüdisch wie Klezmer. Und es ist kein Verbrechen, diese Musik abzulehnen.
Heute jedenfalls ging ich der guten deutsch-jüdischen Sitte des Edelmetallhandels für den gehobenen Bildungsbürgerwürger-Haushalt nach, kaufte ein schweres Silbertablett, schlanke Kuchengabeln, einen Kerzenleuchter und ging dann in ein Cafe in der Kastanienallee, genauer: Ins Zaza. Das liegt direkt neben der authentischen Rinnsteintristesse des Schwarz Sauer, wo ich mich eigentlich mit K. verabredet hatte.
Während K. nicht, da zu spät kam, setzte ich mich, mitsamt meinen standesgemässen Erwerbungen in einer unstandesgemässen Platiktüte auf einen Korbstuhl, schenkte dem Szenepublikum nebenan auf ihren rauen Holzbänken ein mitleidiges Lächeln - schliesslich bietet das Schwarz sauer bei gleichen Preisen weniger hübsch bereitete Speisen, unschickere Bedienung, weniger Auswahl und eine Arbeitslosen/Sozialhilfeempfängerquote von mutmasslich über 60%. Während ich also freundliche Miene zu bösem Gedanken machte, kam von Links erst ein Geiger, dann ein Gittarist, ein Trommler, eine Handtrommlerin und ein Akkordeonist, allesamt erkennbar jung und offensichtlich südosteuropäischer Abstammung.
Und sie spielten Klezmer. So richtig. Jung, laut, schnell, und so melancholisch-traurig wie ein Investment-Banker, der gerade mit 5 unterschlagenen Millionen in Rio ankommt. Das war echt gut. He, sie spielten, dass es nach Puszta roch, nach Knoblauch, nach Apfelstrudel und Chala. Es klang scharf, undezent, fordernd, genau so, dass es der ihr Manuskript redigierenden Möchtegern-Autorin vor mir die Latte massachrierte. Klasse.
Es war nicht das, was das Publikum an der Kastanienallee um diese Zeit oder überhaupt erwarten möchte. Bäh. Osten. Ist ja nicht chillig. Ne, wir geben nix. Als ich ihnen meine Teruma gab; der Lohn, den ich laut Gesetz geben soll und geben wollte, in Papiergeld auch noch, sah mich die antischicke Crea-Blondine mit Pumajäckchen - Typ entlaufene Tübinger Zahnarzttochter - nebenan im Schwarz Sauer an, als wäre ich ein Style-Krimineller. Als hätte ich eine gesagt, dass ich die Sporties scheisse finde, einer geregelten Beschäftigung nachgehe, Gerhard Schröder mag und kiloweise Silber in Plastiktüten rumschleppe. <-Insiderjoke.
Yeah. Die Kids jedenfalls waren klasse.
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So einen richtig schweren, mit Blei gefüllten Schläger halt. Oder vielleicht mach ich auch Neonazi. Irgendsowas. Mal schaun. Hauptsache, einen Schläger.
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Sonntag, 20. Juni 2004
In 25 Stunden verlässt du das dir bekannte Leben und musst für sieben Jahre unfreiwillig weggehen.
Nenn mich Depp, bitte. Die Fragen?
1. Was ist dein letztes Essen zu Hause, Depp?
Danke. Pappenheimer Apfelstrudel und ganz viele bayerische Brezen der Bäckerei Uhlmann.
2. Was ist dein letzter Song?
Die Ärzte, Der Rebell, selbst intoniert unter einer anständig eingebauten bayerischen Dusche, bei der keine Kacheln von der Wand fallen, in einem Haus, das nach 400 Jahren besser aussieht als jeder Berliner Neubau. Und auch in 400 Jahren noch da ist - was ich von Berlin nicht erwarte.
3. Was wird deine letzte Handlung in deiner jetzigen Freiheit?
Wenn irgend möglich: Ficken*.
4. Welchen Ort besuchst du auf jeden Fall noch einmal?
Das Bett. Zum Ficken. In besagtem 400 Jahre alten Haus. Meine Oma wegen des Apfelstrudels. Ist aber im gleichen Haus, 4 Stockwerke weiter unten.
5. Welchen Gegenstand, den du immer bei dir tragen darfst, nimmst du mit?
Eigentlich hätte ich gesagt: Die Gesänge Schelomos. Aber die habe ich auf meinem Notebook. He, ich muss nach Berlin, kann mir jemand einen Flammenwerfer in den Thinkpad einbauen?
6. No way. Verstösst gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, du Depp. Aber du darfst einen Brief mitnehmen. Von wem ist er, und was steht darin?
Von einer wunderbaren Frau, die ich nie vergessen werde. Es war nur ein Zettel, den sie mir gab, und darauf stand: "Ich möchte mit Ihnen schlafen. Wenn Sie das auch wollen, lächeln Sie. Sie dürfen diesen Zettel behalten".
Es war too good to be true. Aber das war damals so, in den wilden, frühen 90ern.
7. Welchen Ort besuchst du nach deiner Rückkehr als erstes?
Das Piano Nobile des 400 jahre alten Hauses, wo meine Oma mit dem Apfelsrudel schon auf mich lauert und mir Vorwürfe macht, weil ich zu selten angerufen habe. Was ich eigentlich jetzt gleich tun sollte. Sofort.
Roger and Over.
*Edit: Und zwar einen Trostfick on der Sorte, wie Etgar Keret ihn in seinem wunderbaren Buch "Pizzeria Kamikaze" beschreibt. Vielleicht mit einer Frau, mit der man monatelang rumgetan hat, nie genau wusste, woran man bei ihr war - und in der letzten Nacht dann das Aufeinandertreffenm, das einen aus der Lebensbahn schiesst wie eine Billard-Kugel, und man sitzt im Auto und denkt nur: Was hab ich nur getan, und warum fahre ich weg?
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Nur so viel: Freudscher Verschreiber bei der Haaretz, die die Deutschen wohl immer noch mit den Mongolen gleichsetzt: Oliver Khan doesn't, David Beckham does. What does Kublai Khan?
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mit negelneuem Digitalequipment für multimediales Judentum. Testbericht folgt.
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Freitag, 18. Juni 2004
Ich mag Österreich. Weil es viele Schluchten hat. Das hat bei derartigen Rücktretenden befreiende Wirkung.
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Kurz, bei solchen Läden kennt E. definitiv keinen Spass. Und dass sie das auch so radikal sagt, nötigt selbst mir, der ich in Sachen Sex eine ziemlich laxe und an De Sades Philosophie im Bodoir orientierte Haltung vertrete, einigen Respekt ab. Bei E. könnte man sich wirklich vorstellen, dass sie Mollis auf Sexshops wirft.
In diesem Fall aber nicht. Dieser Blick ins Innere einer Lasterhöhle ist selbstverschuldet. Als ich das Photo machte, stand gerade der der blonde, schnauzbärtige Beitreiber mitsamt ebenso blonder, grell geschminkter Frau vor den verkohlten Trümmern seines Anbahnungsbetriebs und jammerte über den Idioten, der das Debakel mit einer Zigarette angerichtet hatte.
Für E. ein Grund weniger für einen unfriedlichen Shabbat.
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During the Conference, we will announce the Lausanne Initiative in favour of the creation of One Democratic State in Palestine/Israel, with equal rights for all the inhabitants of the country and the right of return for the Palestinian Refugees. This is the only possible way to end the conflict in this region and to reduce religious fundamentalism.
We invite you to participate in this important event by returning us the following questions:
I accept the One State Solution and would like to participate in
the Conference:
Full name:
Full Address:
Email:
Na denn Shabbat Shalom.
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Donnerstag, 17. Juni 2004

Eine Woche später hat hier der Frühwinter begonnen, eine Nagelbombe ist in Köln explodiert, Kohl und Merkel glotzen von den Plakaten, und gestern sagte man mir, in Berlin Mitte sei die Arbeitslosenquote bei 28%.
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Und ausserdem hat Frau Merkel nach eigenen Angaben vorsorglich mit dem World Jewish Congress telefoniert, um die Anliegen der CDU klarzustellen.
Was, bitte, mit Verlaub, Frau Merkel, soll der Scheiss? Was geht das den Israel Singer an, den Maram Stern oder den Edgar Bronfman? Wieso kommen Sie auf die glorreiche Idee, sich für ihren schwachsinnigen Umgang mit der Geschichte, namentlich auch der Geschichte ihrer Partei und deren Bürzel und Vorgänger in DDR und NS-Diktatur, den Segen von einer Organisation zu holen, die hierzulande nichts zu melden hat? Die auch keinesfalls die Stimme des Weltjudentums ist, sondern nur eine Organisationen unter vielen - und das sind dann welche, denen die CDU bislang noch nicht den Mastdarm beturnt hat, und die Sie angemessen durchprügeln würden, für diesen absurden Vorschlag.
Wenn Sie schon die altrechten Kreise Ihrer Partei beglücken, seien Sie so ehrlich und holen sich ihre Dresche bei denjenigen ab, die Sie hierzulande, mit Verlaub, ankotzen, Sie gechichtenichtkönnender Kohlersatz.
Edit: Sollte es je eine jüdische Springerpresse geben, würden so wahrscheinlich die Leitartikel aussehen ;-)
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Mittwoch, 16. Juni 2004
Der erste frische Posten in der Kulturindustrie für den Bedauernden kam dann von Herrn Lunkewitz, seines Zeichens Besitzer des Aufbau-Verlags. Mit grossem Trara wurde Friedmann als Herausgeber auf der Frankfurter Buchmesse eingeführt. Und was für hohe Erwartungen wurde da postuliert: Friedmann werde bedeutende Beiträge zu den Debatten dieser Republik liefern, bla bla...
Wie sehr Bla Bla, merkte ich erst gestern, als ich nochmal den Katalog mit den Neuerscheinungen des Aufbau-Verlags in die Hand nahm:

Ganze drei dürre Seiten sind es, über die ich beim ersten Anlauf noch nicht mal gestolpert bin. Eine Seite Einführung von Friedmann himself. Es wimmelt von neoconservativen Phrasen wie "Gleichmacherei", "parteipolitischer Identitätslosigkeit", "Entpolitisierung" (schelcht), und "Steritkultur", "besondere Verantwortung", "Fortschritt" (gut also vorsicht Friedmann).
Also mal wieder die ganz grossen Worte. Die fliegen dann gleich auf die Fresse, angesichts der beiden von ihm herausgegebenen Bücher: Eines über Vertreibungen von Micha Brumlik, einem Autor, der wahrlich keinen Herausgeber-Tingeltangel vor seinen Werken bräuchte. Und die 147. oder so Biographie über Theodor Herzl zu dessen 1oo. Todestag. Bei dem schätzungsweise 2-jährigen Vorlauf, den die Herzl-Bio im Verlag gehabt haben dürfte, hat die Quickie-Herausgeberschaft einen ziemlichen Hautgout.
Gleichwohl: Eher unwahrscheinlich, dass sich daran irgendein Streit entzünden wird, nur bei Brumlik wird vielleicht der ein oder andere Vertriebenenfunktionär loskeifen. Aber Streitkultur?
Beide Bücher werden, im Gegensatz zu den Spitzentiteln, nur mit jeweils einer Seite vorgestellt - das Minimum. Ganz hinten, wie gesagt. Aber unten auf jeder Seite ist die Unterschrift von Friedmann.
Man sollte vielleicht über die Einführung des Begriffes "Frühstücks-Herausgeber" nachdenken.
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Sollte ich je einen Roman über deutsches Judentum schreiben, würde dort wohl ein Kapitel spielen. Auch, um Pathosfeministinnen wie Frau Roggenkamp und ihrer weichgespülten Philokamarilla eins reinzuwürgen.
Nein, ich war nicht drinnen. Spielt aber auch keine Rolle. Ich weiss, wie so ein Bordell direkt neben dem jüdischen Friedhof aussehen müsste: Sehr plüschig, ein umgearbeitetes Bodoir aus der Gründerzeit, mit hohen Doppeltüren und einem ochsenblutroten Dielenboden. damit sich die Rezensenten viele Gedanken über die tiefen Metaphern machen können, die gar nicht beabsichtigt sind.
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Mittwoch, 16. Juni 2004
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Dieses Exemplar wurde am 21.3.1943 der U.S. Army Air Force übergeben. Die Leser des Aufbaus, die damals in der Regel alles andere als reich waren, hatten das nötige Geld gesammelt.
Getauft wurde das Jagdflugzeug auf den Namen "Loyality" - und nein, es hatte kein Pinup-Girl auf der Motorhaube. Da stand statt dessen: "Gift of recent emigres from nazi-fascist opression."
Auch schön
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In Israel nennen sie ihn inzwischen Teflon-Ariel. Und wir stehen etwas belämmert da, nachdem wir immer darüber berichtet haben, wie sehr Sharon deshalb wackelt. Wenn das so weitergeht, übersteht er auch die Regierungskrise.
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bis zu knallharter Comedy - von wegen. über Hitler und das Dritte Reich darf man nicht lachen.
Damit ist mein Tag gelaufen...
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Montag, 14. Juni 2004

Oha. Eine Islamische Zeitung auf Deutsch. Offensichtlich an ein deutsches Publikum adressiert. Wer diese Werbezeile getextet hat, muss ziemlich die Schnauze vollgehabt haben von dem Gerede, das hierzulande über den Islam verbreitet wird, keine Frage. Ich tue wahrscheinlich den wenigsten Medien unrecht, wenn ich behaupte, dass die Darstellung des Islam genauso bescheuert, voreingenommen, klischeehaft und von inkompetenten Mietschreiberlingen gemacht wird, wie die Darstellung des Judentums.
Wenn man sich die dazugehörige Website anschaut, kommt einem doch vieles bekannt vor: Der leicht selbstgerechte Ton der sich behauptenden Minderheit, die Selbstreferenzialität, die immer gleichen Sprüche zur Einweihung von Einrichtungen und der Aufruf gegen das Vergessen - das klingt alles in etwa so, wie auch europäische jüdische Publikationen klingen. Ihre Moschee, unsere Synagoge, ihr Recht auf Kopftuch, unser Recht auf Beschneidung, Nazis finden wire beide Scheisse, den Nahostkonflikt auch, nur ist da die Schuld auf der anderen Seite, und auch die Auslegung des Koran und der Thora lesen sich für mich, offen gesagt, gleichermassen langweilig.
Ntl, schon interessant, das.
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Update: Zeit für den Brecheimer - die FPÖ-Wähler kotzen ihren braunen Schleim nach Europa
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