Donnerstag, 15. April 2004

Philos galore
Die Qualitätssudler von Spiegel Online mal wieder:

"Palästinenser speien Galle"

weil die palästinensische Autonomiebehörde der Ansicht ist, dass die "Neuordnung" der sog. Roadmap zwischen Bush und Sharon definitiv nicht gut ist - womit sie definitiv Recht hat, Völkerrecht sogar. Es ist vollkommen klar, dass sie verbittert reagieren, sie wurden übergangen, und zwar nur deshalb, um das mal deutlich zu sagen, weil Bush gerne jüdische Wählerstimmen in den USA hätte.

Aber die Spiegel.de-Leute machen da gleich einen Bildzeitungsmässigen Titel daraus, der auch gleich alle mitteleuropäischen Blockwartsvorurteile bestätigt, vom heissblütigen, brüllenden, vertierten und unbeherrschten Araber.

Widerlich.

Edit: Spiegel.de zieht den Schwanz oder was sie dafür halten ein: "Palästinenser verdammen USA". Da denkt doch noch wer mit. Den sollte man behalten. Die anderen Praktikumsanwärter bitte feuern!

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Maxim Biller kann es doch
Letzte Woche war eine Journalistin da, die zu jung war, um den alten Hass-Biller von Anno Tempokolumne noch zu kennen. Als wir darüber sprachen, wie wenig gute jüdische Literatur es hier in Deutschland gibt, dass so viele Kretins es zwischen die Buchdeckel schaffen, dass es jetzt wenigstens ein gutes Buch von Biller gibt - da leuchteten ihre Augen.



Das Buch von Maxim Biller heisst Bernsteintage und liest sich am Besten auf dem alten Perserteppich, den die Eltern 1978, kurz vor dem Ende des Schahregimes noch gekauft haben; also dem Teppich, mit dem wir einige unserer Jugenderinnerungen verknüpfen. Dieses eigenartige Kribbeln beim Drüberstreichen empfinden wir nicht nur in der Hand, sondern aich im Kopf, wenn wir das Buch mit dem genialen Cover aufschlagen, und über die Kindheit und Jugend lesen.

Biller schreibt grandios, stilistisch ausgereiift, baut mit kleinen Nuancen und Drehungen genau so viel Begeisterung für seine Gestalten auf, wie es sein soll. Das sind dann nicht die labbrigen Waschweiber von Judith Hermann, Maike Wetzel und ihrer Fräuleinplunderapanage, sondern glaubwürdige Charaktere. Romane auf wenigen Seiten. Vollendete Literatur. Grossartig.

Und gar nicht mehr der Hass-Biller. Literatur, die Augen leuchten lässt. Ideal, wenn sie dann, Tage später, von einer Frau auf dem Perserteppich gelesen wird, der wie dabei den Rücken streicheln.

Damit wir dann morgen wieder kraftvoll zuhassen können.

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Donnerstag, 15. April 2004

Cruising
Nach 10 Stunden Reden und 3 Stunden normaler Kommunikation eine Runde fahren, unter einem kalten, klaren, schwarzen Spätwinterhimmel.



Entlang am Landwehrkanal, über die Wellen in der Strasse und den unsauberen Asphalt. Vorbei an den urbanen Kleinwüsten, die in der Nacht noch nicht mal ein ordentliches Set für ein Gewaltverbrechen abgeben. Entlang an Hochhäusern, die an der bauverordung hängen geblieben sind, und halbrunde Sächer haben, wie eine Raiffeisenbank in Kleinheimersdorf. Weiter nach Westen, um eine Weile zu vergessen, dass Berlin in jeder Hinsicht eine Fehlentscheidung war. Nicht für mich, denn ich trage den Krieg in mir, ich kann es bewältigen, aber das gilt nicht für die, für die ich hier bin.

Rein in Richtung Schöneberg, vorbei an einem Haus, wo der nachruf schon geschrieben wird, ein Haus, dessen nachruf ich vielleicht selbst bald schreibe, nicht hier, aber woanders.

Sie wissen oft gar nicht, wer ich bin, wem sie erzählen, was bei ihnen schief läuft. In dem Moment, in dem dieser Kampf verloren ist, endet für mich die Sperrfrist.

Manche haben für mich, wie man in Bayern sagt, nach diesem Tag a Kreizerl auf der Stirn.

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Dienstag, 13. April 2004

Office Day
und über Nacht wird man zur öffentlichen Person. Sie lesen was, haben was gehört, ach ne, wirklich? und rufen an, wollen Bestätigungen und kriegen Dementis. Weil die ersten News dumme Lügen waren. Bekommen ein paar leichte Hinweise mit auf den Weg, was es kostet, wenn man eine einstweilige Verfügung erwirkt.

Das hilft. Medien muss man mies behandeln, wenn man nicht mies behandelt werden will. Manche sind aber auch echt ok, und halten sich an die Absprachen. Brauchen dann aber ein Bild, am besten eines, das das typische 40ies-Gefühl rüberbringt. Ist natürlich keins da.

Was da ist, ist eine Digicam. Nach kurzer Einweisung 5 Photos, und eines ist so, wie es sein soll. Rosebud, Reporter des Satans, Hearst und Deepthroat lassen grüssen.



Draufgehen ist halb so schlimm, wenn man dabei gut aussieht und die passende Krawatte trägt.

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Dienstag, 13. April 2004

Gerade gemerkt
es gibt höllisch viele christlich motivierte Blogs da draussen. Weitgehendst ironie- und schmerzfrei, und mit dem Bewusstsein einer Dampfwalze. Nicht alle, aber manche. Manchmal das Blog zur aktuellen, hirnrissigen Spiegel-Coverstory. Von wegen, es hätte einen Mord an Jesus gegeben.

Vielleicht hätte man eher mal die Frage angehen sollen, ob es diese Person überhaupt gab - für jeden halbwegs unparteiischen Historiker ist klar, dass die Quellenlage mehr als dünn ist. Für die Antike bedeutet die Quellenlage in etwa so viel, wie: Kann man unmöglich genaues zu sagen. Die früheste nichtchristliche angebliche Nennung bei Flavius Josephus jedenfalls ist eine Fälschung, und die "Christenverfolgung" unter Nero berüht auf einer Fehlinterpretation von Tacitus Annalen - sagt die Wissenschaft, die sich natürlich gegen Hollywood und die dort verbreiteten Glaubensinhalte a la Ben Hur schwer tut.

Als ich Patristik gemacht habe, gab es in dem entsprechenden Seminar in München 2 Gruppen: Die einen stürzten sich mit Begeisterung auf die frühe Kirchengeschichte, lasen die Quellentexte, den Eusebius, den Chrysostomos, den Ambrosius von Mailand, alles in schweren Jugendstilbänden. Das waren die Atheisten. Andere hingegen konzentrierten sich nur auf die Sekundärliteratur im flipsigen, modernen Softcover, und hier auch nur aus den Theologieinstituten, die Kaiser Constantin schönredeten - das waren die überzeugten Christen.

Das gab dann im Seminar immer heisse Debatten - aber es war schon beängstigend, wie manche Wissenschaftler einfach alles, was man ihnen im Studium an Kritikfähigkeit und eigenem Denken beigebracht hat, über Bord werfen, wenn´s um den Glauben an, salopp gesagt, Christkind und Osterhasen geht.

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Pessach, kurz vor Schluss
Es wird langsam Zeit für ein Ritual, das, hm, ein ziemlich seltsames Licht auf die Gesetzestreue der Juden wirft: Das Zurückkaufen des Chamez. Chamez sind die gesäuerten Wahren wie Pasta, Pizza, Bier, eingelegte Gurken, die in einem gläubigen jüdischen Haushalt über Pessach nicht verbleiben dürfen.

Das war früher kein Problem, als es noch keine Kühlschränke und Dosen gab. Gesäuertes war ohnehin bald über dem Jordan, also konnte man getrost zu Beginn von Pessach alles Gesäuerte verbrennen - wenn man es nicht in den üblichen Pre-Pessach-Parties mit Freunden wegass.

Heute würde das konsequente Verbrennen gesäuerter Speisen nicht nur Probleme mit der Brandverordnung mit sich bringen, sondern auch, puh, ich darf gar nicht daran denken, was alles in meinem Kühlschrank, ne, also ECHT NICHT. Mein Kühlschrank ist mitsamt Füllung unantastbar!

Wäre ich jetzt observant und würde mich daran halten, gäbe es 1 Rettung: Der Verkauf des Chamez. Das heisst: Alles Gesäuerte wird zu Beginn von Pessach für einem symbolischen Preis an einen Rabbiner oder an einen nichtjüdischen Verwandten verkauft. Wenn der heutige Tag vorbei ist, kauft man das Chamez wieder zurück. Damit besass man, wie in der Halacha angeordnet, tatsächlich während Pessach kein Chamez.

Klingt wie ein billiger Trick? Pah!



In den einschlägigen Zeitschriften der Ultraorthodoxie werden dafür entsprechende Kaufverträge zur Verfügung gestellt. Applied religion, wenn man so will. Gottes Werk und des Rabbiners Beitrag.

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Sonntag, 11. April 2004

Beruhigend
Wenn jemand im Radio darüber redet, was es am Samstag (!) zu Ostern zu Essen gibt. Für sie kein Lamm, weil sie ist Vegetariererin. So mag ich die Arierinnen. Bei uns wird heute auch gefeiert: Geburtstag. 3 Jahre Online. Essen ist natürlich koscher.

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Kalauer Update
weil es thematisch so gut passt, was von Herrn Broder:

Das Risiko, sich den Schmock beim Trockenwichsen zu brechen, ist weit höher, als einen verliehen zu bekommen.

Böse. Und gut.

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Der jüdische Kalauer zum Sonntag
Ostern geht mir auf die Hebreier.

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Samstag, 10. April 2004

Shabbat Shalom - nicht für jeden
Ich möchte ein Buch schreiben.

Nein, Quatsch, ich möchte kein Buch schreiben. Zumindest nicht als der Jude, der ich bin. Unsereins ist 1a-Kanonenfutter für den Literaturbetrieb, für jeden verkaufsträchtigen Skandalkunkel brauchen Verlage auch einen Entschuldigungsjuden, im besten Fall wird es sowas wie Biller, aber meist endet das auf dem Quasselniveau der Viola Roggenkamp. Nein danke. Wenn Buch, dann unter Pseudonym. Und nichts mit Judentum.

Trotzdem juckt´s mich in der Tastatur. Weil hier in den letzten Tagen mal wieder Irrenalarm war. Sehr viele wohlmeinende Menschen, die ja nur das Beste für uns wollen, haben mir erzählt, was ich/wir falsch machen. Wie wir uns besser verhalten sollen, wenn wir wollen, dass sie weiterhin noch bessere Freunde werden und uns auch weiterhin helfen. Dieses Wort stand tatsächlich in einer Mail. So eine dahergelaufene Betroffenheitsurschel meint, mir helfen zu müssen. Sie versteht das Judentum nämlich ganz anders als ich. Und das will sie mir nahebringen.

Ab sofort bin ich für die Einführung der 120-Stunden-Woche für Lehrer, damit die nicht mehr auf so blöde Gedanken kommen. Ausserdem fordere ich, dass einer der hier vorbeikommenden jüdischen Leser, der noch kein Literat ist, sich des oben gewünschten Buches annimmt. Eine gnadenlose Abrechnung mit dieses Philos soll es werden, bitterböse, zynisch, man muss lachen, sich totlachen können über diese milde Sorte Menschheit, mit ihrem Versöhnungsfimmel, und dahinter darf ruhig laut und knallig zum Vorschein kommen, was für verhuzelte Psychos die eigentlich sind.

Das Buch soll 200 Seiten haben, schnell wegzulesen sein, an einem Abend, man muss sich kringeln, ein Brüller jede Seite, Sex, Gewalt, Drogen, alles ist legitim. Dann ab damit in die Kulturseiten, die auch für ihren Judenfimmel bestraft werden müssen. Es muss einen Skandal darum geben, die Leute sollen reden, sie sollen sich ertappt, überführt, abgewatscht fühlen.

Bitte, schreib mir jemand so einen Roman. Irgend so eine Überidentifizierte, die beim Versuch des versöhnlerischen Ranwanzens brutal auf die Fresse fliegt, immer und immer wieder, sich immer einredet, dass sie für die Juden doch gerne leidet, aber in Wahrheit findet sie es einfach nur geil, endlich selbst mal Opfer sein zu dürfen und sich wichtig zu fühlen. Das ganze mit einem blutigen Ende.

Bitte. Es ist Zeit, sowas zu schreiben. Chawer, tu es für mich.

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Freitag, 9. April 2004

Neues Tape Delay
Eigentlich braucht niemand noch ein Tape Delay, wenn er über eine VST-Schnittstelle verfügt. Da ist zum einem das graphisch höchst ansprechende Freeware-Delay von Steinberg selbst. Dann gibt es noch das Freeware-Delay von db Audioware, das sehr schöne, akkurate Anzeigen hat - ein Muss bei Tape Delays! Insofern ist noch ein Delay eher überflüssig, denkt man. Noch dazu, wenn es wie das P1 Delay mit 255 kb Grösse beim Download nicht gerade den ausgefeiltesten Algorithmus verspricht.



Trotzdem lohnt der Download in jedem Fall. Der Witz an der Sache: Das P1 Delay simuliert nicht einfach nur ein Bandecho, sondern die elektrische Simulation eines Bandechos aus den 70er/80er Jahren.

Es hat wunderbare Vintage-Knöpfe zum dran drehen. Es hat eine wirklich liebevolle Anzeige, um es im Takt zu justieren. Vor allem aber: Es klingt auch Vintage. Es ist sicher kein Gerät für Spezialisten, aber ein simples, effektives Tool mit grosser Wirkung. Man kann das P1 auch foltern, zum kreischen bringen, oder nur ganz zart tätscheln. Und das alles mit gerade mal 6 Knöpfen. Kein ewiges Rumfrickeln, drehen, hören, fertig.

Gerade jetzt, wo man den Klang der 80er wieder schätzt, ein erstklassiges Teil. Und Freeware.

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Aaarghh
Heute morgen, 9 Uhr. Aufstehen, duschen, noch etwas lesen, dann ab zum Büro. weil da noch genug Arbeit ist. Aber erst mal einkau...

vor verschlossenen Türen stehen. Es ist stinknormaler Freitag! Was soll das? Bis einem dann dämmert - christlicher Feiertag. Pfhhhh. Natürlich gestern nichts eingekauft, warum auch, Brot sol frisch sein.

Bloss, dass die Orientalen hier um die Ecke irgendwie auch nichts mitbekommen, von wegen Feiertag, und teilweise offen haben. Tag gerettet.

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