Donnerstag, 15. April 2004

Maxim Biller kann es doch
Letzte Woche war eine Journalistin da, die zu jung war, um den alten Hass-Biller von Anno Tempokolumne noch zu kennen. Als wir darüber sprachen, wie wenig gute jüdische Literatur es hier in Deutschland gibt, dass so viele Kretins es zwischen die Buchdeckel schaffen, dass es jetzt wenigstens ein gutes Buch von Biller gibt - da leuchteten ihre Augen.



Das Buch von Maxim Biller heisst Bernsteintage und liest sich am Besten auf dem alten Perserteppich, den die Eltern 1978, kurz vor dem Ende des Schahregimes noch gekauft haben; also dem Teppich, mit dem wir einige unserer Jugenderinnerungen verknüpfen. Dieses eigenartige Kribbeln beim Drüberstreichen empfinden wir nicht nur in der Hand, sondern aich im Kopf, wenn wir das Buch mit dem genialen Cover aufschlagen, und über die Kindheit und Jugend lesen.

Biller schreibt grandios, stilistisch ausgereiift, baut mit kleinen Nuancen und Drehungen genau so viel Begeisterung für seine Gestalten auf, wie es sein soll. Das sind dann nicht die labbrigen Waschweiber von Judith Hermann, Maike Wetzel und ihrer Fräuleinplunderapanage, sondern glaubwürdige Charaktere. Romane auf wenigen Seiten. Vollendete Literatur. Grossartig.

Und gar nicht mehr der Hass-Biller. Literatur, die Augen leuchten lässt. Ideal, wenn sie dann, Tage später, von einer Frau auf dem Perserteppich gelesen wird, der wie dabei den Rücken streicheln.

Damit wir dann morgen wieder kraftvoll zuhassen können.

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Damals, in meiner Heimatprovinz, verschlang ich aus Großstadtsehnsucht die Tempo. Mehr als alles andere sind die "100 Zeilen Hass" hängengeblieben, aber Jahre später konnte ich mich mit dem Deutschbuch nicht anfreunden. Mir erging es damit wie mit vielen Weblogs: "Großartiger Stil, das Nölige, na ja, aber kann er wirklich nur ein Thema?" Jetzt hoffe ich auf dieses Buch. Danke für den Tipp.

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