Mittwoch, 6. Juli 2005

Was vom Broder übrig bleibt.
Irgendwann so um 1990 herum besuchte der damalige Jungautor Maxim Biller den Essayisten und Journalisten Hendryk M. Broder und schrieb, ganz im Gegensatz zu seinem sonstigen Texten, ein sehr blumiges Lob. Darin stellte er Broder so ziemlich an die Spitze der kritischen Geister dieses Landes, lobte seinen Stil und die Schärfe seiner Argumentation.

Biller schreibt mittlerweile für das rechte Schmarrnblatt Cicero, die sich neben ihren mickrigen Neocons deutscher Prägung ein paar Juden halten, um das ganze nicht gar so stramm auf einer Linie mit der Stahlhelmfraktion, Lobbyisten und schwarzen Krawallkritzlern erscheinen zu lassen. Broder ist noch nicht da unten gelandet, aber dass sein publizistisches Werk oft beim Internet-Resteverwerter des Spiegels, dem eigenständigen Bananenproduzenten Spiegel Online landet, spricht Bände.

Da schreibt er also alle paar Wochen eine kleine Volte gegen irgendwas. Der Stil dürfte inzwischen hinlänglich bekannt sein; Broder ist immer noch an dem Ort, wo sein 90er-Jahre-Beststeller "Erbarmen mit den Deutschen" entsprang. Sprich, an der damals noch recht heissen Front zwischen Philosemiten, Gutmenschen, Altnazis, Neurechten, ganz normal dummdeutschen Deutschen, Juden, die Broder nicht leiden konnte, und Juden wie Broder, von denen es aber auch nur einen gab: Ihn selbst. In den 90ern konnte er von diesem Punkt aus auf alles ballern, was sich da irgendwie bewegte, und Broder tat das mit grosser Lust. Weil es sonst niemand so deutlich sagte, weil er irgendwie Recht hatte.

Inzwischen ist diese Debatte aber ziemlich durch, nur Broder gibt immer noch den jüdischen Aussenseiter, der allen anderen die Meinung geigt. Twin Towers und Live 8, Neue Weltordnung und Friedman: Broder schreibt im Kern immer die gleiche Geschichte, drei politische Unkorrektheiten, 2 mässig witzige Wortspiele, eine Entgleisung zum Aufregen und 0 neue Ansätze. Immer der gleiche Aufbau, never change a winning Team, und tatsächlich wird er immer noch von vielen wahrgenommen, weil sie sich ärgern. Überraschenderweise über seine Aussagen und weniger darüber, dass sie dumm genug sind, schon wieder dem Brodersystem auf den Leim zu gehen. Was manche wohl bis heute dazu bringt, Broder nicht für einen 3-Tasten-Klimperer auf ihrem Gefühls-Pianola, sondern für einen kritischen Geist zu halten. Manchmal frage ich mich, ob Broder überhaupt noch anders könnte, wenn er denn wollte. Und ob es ihm nichts ausmacht, dass er im Medienbetrieb die nicht allzu überzeugende Rolle des zersetzenden Juden spielt, wofür eigentlich mehr nötig wäre als ein wenig Provokation hier und ein Brocken Beleidigung da.

Broder bringt heute keine Debatte mehr in Gang, Broder denkt nicht mehr voraus, er trägt nichts zur Gegenwart bei, noch nicht mal was Kritisches, sondern blafft von seinen breitgesessenen Lorbeeren der 90er Jahre aus hinterher. Spiegel Online bekommt dadurch einen Promi, und Broder wirkt angesichts der dort versammelten, vom Nachrichtendruck glattgebügelten Publischißten wie einer, der schreiben kann. Vielleicht sogar wie ein Intellektueller. Der er mal war, und der er vielleicht immer noch sein könnte, aber längst nicht mehr ist.

Es wäre spannend zu lesen, was der heute weiten Teilen der Jugend unbekannte Autor Biller heute wohl schreiben würde, wenn er ihn treffen würde. Vermutlich irgendwas, was ohne korrigierenden Eingriff in der Zeit stehen könnte, oder in der FAZ. So tief unten ist das alles angekommen. Sehr tief - zum Glück aber immer noch ein paar Kilomter über dem selbstverschuldeten Sumpf, in dem Gemeinden wie Augsburg, Berlin und Potsdam sowie ein gewisser Zentralrats-Vize gesteckt ist.

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