Samstag, 22. November 2003
Sprechen wir über Berlin
uceda, 01:52h
oder besser, sprechen wir als Reisevorbereitung über Leute, die über Berlin sprechen.
Gemeint sind ein paar Jungredakteuere der FAZ, dem Hausblatt des Bildungsbürgergehirns in den Grenzen von 1939ff. Diese Nachwuchs-Rheinwächter nun hatten das Unglück, aus dem edlen Glasbeton-Frankfurt nach Berlin geschickt zu werden, und um sich selbst zu entschädigen, schrieben sie ein Buch, wie böse, mies und hässlich dieses Berlin a. d. Spree ist. Hier spricht Berlin, war der Titel der Abrechnung.
So ein Buch könnte beim durchnittlichen bayerischen Juden natürlich positive Aufnahme finden, hätte er früher nicht die Tempo gelesen. Denn der Rädelsführer der Kleinschriftsteller ist kein noch Geringerer als Claudius Seidl. Der stammt aus Würzburg, dem Inbegriff der Provinz, und nur aus dem Bemühen, dieser Provinz zu entkommen, ist das grosskotzige Gehabe zu verstehen, das das schmale Buch prägt.
Seidl ist der klassische Fall des kleinen Provinzspiessers, der in die grosse Stadt zieht, durch Anbiederung ein übler Blender wird, sich an die Spitze einer Bewegung setzen will und dann die grosse Stadt, das Babul aus Würzburger Sicht, schlechtmacht. Seidl hat so einen Dolchstoss schon einmal an München exerziert. Was damals, vor 10 Jahren in der Tempo stand, steht heute wieder im Buch, das Kläffen ist das gleiche. Immer schön laut gegen Orte, die die eigene Kamarilla zuerst hochgejubelt hat.
Man fragt sich: Was treibt diesen Mann, das zu tun? Hat nicht die FAZ selbst Berlin nach oben geschrieben, mit einem gewissen Illies an der Spitze, der sich, ganz Qualitätsjournalist, von Tom Kummer gefälschte Interviews andrehen liess? Ist es die Pleite der FAZ in Berlin, das die Wut entfacht?
Nach dem Lesen würde ich sagen: Nein. Was Seidl mit seinen Kaipi-Kumpels ankreidet, ist genau das, was er nicht hat: Charakter. Diese Mischung aus Eigensinn und Zärtlichkeit, die Metropolen und Menschen ins Verderben rennen lässt, in Sackgassen, ins Scheitern. Dafür kann man sie lieben oder hassen. Das fehlt Herrn Seidl. Herr Seidl kann mal Tempo, dann Spiegel, dann Sueddeutsche, und dann FAZ, wo er immer noch als junger Rebell gelten möchte. Herr Seidl kann alles. Er kann sich anpassen. Er ist flexibel. Überzeugungen hat er keine. Und was er wirklich denkt, in seinem kleinen Würzburger Oberstübchen, das wird dann nochmal aufgegossen und zu Geld gemacht. Dafür kann man ihn nur verachten.
Insofern ist "Hier spricht Berlin" nicht als Abrechnung mit der Stadt zu lesen, sondern als Dokument der Mittelmässigkeit eines führenden Mitläufers, eines angedissten fränkischen Radaubruders, der sich am Niedergang aufgeilt wie der Sittenwart des 19. Jahrhunderts an gefallenen Mädchen.
Berlin kann eigentlich nichts dafür, dass es eine marode Stadt ist. Der Berliner als solcher, Ost wie West, wurde jahrzehntelang vom Restland gepäppelt und kann sich nur schlecht daran gewöhnen, kein Luxusalmosenempfänger mehr zu sein. Es kam immer einer, der ihn aus dem Sumpf zog - heute bleiben diese Samariter aus, dann bleibt er eben im Sumpf.
Ist okay. Irgendwie. Wer einmal versucht hat, in Würzburg vernünftigen Falaffel zu bekommen, findet Berlin schnell wieder gut.
Gemeint sind ein paar Jungredakteuere der FAZ, dem Hausblatt des Bildungsbürgergehirns in den Grenzen von 1939ff. Diese Nachwuchs-Rheinwächter nun hatten das Unglück, aus dem edlen Glasbeton-Frankfurt nach Berlin geschickt zu werden, und um sich selbst zu entschädigen, schrieben sie ein Buch, wie böse, mies und hässlich dieses Berlin a. d. Spree ist. Hier spricht Berlin, war der Titel der Abrechnung.
So ein Buch könnte beim durchnittlichen bayerischen Juden natürlich positive Aufnahme finden, hätte er früher nicht die Tempo gelesen. Denn der Rädelsführer der Kleinschriftsteller ist kein noch Geringerer als Claudius Seidl. Der stammt aus Würzburg, dem Inbegriff der Provinz, und nur aus dem Bemühen, dieser Provinz zu entkommen, ist das grosskotzige Gehabe zu verstehen, das das schmale Buch prägt.
Seidl ist der klassische Fall des kleinen Provinzspiessers, der in die grosse Stadt zieht, durch Anbiederung ein übler Blender wird, sich an die Spitze einer Bewegung setzen will und dann die grosse Stadt, das Babul aus Würzburger Sicht, schlechtmacht. Seidl hat so einen Dolchstoss schon einmal an München exerziert. Was damals, vor 10 Jahren in der Tempo stand, steht heute wieder im Buch, das Kläffen ist das gleiche. Immer schön laut gegen Orte, die die eigene Kamarilla zuerst hochgejubelt hat.
Man fragt sich: Was treibt diesen Mann, das zu tun? Hat nicht die FAZ selbst Berlin nach oben geschrieben, mit einem gewissen Illies an der Spitze, der sich, ganz Qualitätsjournalist, von Tom Kummer gefälschte Interviews andrehen liess? Ist es die Pleite der FAZ in Berlin, das die Wut entfacht?
Nach dem Lesen würde ich sagen: Nein. Was Seidl mit seinen Kaipi-Kumpels ankreidet, ist genau das, was er nicht hat: Charakter. Diese Mischung aus Eigensinn und Zärtlichkeit, die Metropolen und Menschen ins Verderben rennen lässt, in Sackgassen, ins Scheitern. Dafür kann man sie lieben oder hassen. Das fehlt Herrn Seidl. Herr Seidl kann mal Tempo, dann Spiegel, dann Sueddeutsche, und dann FAZ, wo er immer noch als junger Rebell gelten möchte. Herr Seidl kann alles. Er kann sich anpassen. Er ist flexibel. Überzeugungen hat er keine. Und was er wirklich denkt, in seinem kleinen Würzburger Oberstübchen, das wird dann nochmal aufgegossen und zu Geld gemacht. Dafür kann man ihn nur verachten.
Insofern ist "Hier spricht Berlin" nicht als Abrechnung mit der Stadt zu lesen, sondern als Dokument der Mittelmässigkeit eines führenden Mitläufers, eines angedissten fränkischen Radaubruders, der sich am Niedergang aufgeilt wie der Sittenwart des 19. Jahrhunderts an gefallenen Mädchen.
Berlin kann eigentlich nichts dafür, dass es eine marode Stadt ist. Der Berliner als solcher, Ost wie West, wurde jahrzehntelang vom Restland gepäppelt und kann sich nur schlecht daran gewöhnen, kein Luxusalmosenempfänger mehr zu sein. Es kam immer einer, der ihn aus dem Sumpf zog - heute bleiben diese Samariter aus, dann bleibt er eben im Sumpf.
Ist okay. Irgendwie. Wer einmal versucht hat, in Würzburg vernünftigen Falaffel zu bekommen, findet Berlin schnell wieder gut.
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Donnerstag, 20. November 2003
100 0 Zeilen Hass
uceda, 20:21h
Es war einmal ein knalliges Kerlchen, das der Welt seinen Hass ins Gesicht hämmerte. 100 Zeilen, Monat für Monat. Und es war gut so. Dann kam das Feuilleton, und liess ihn auch mal woanders was schreiben, als in der Tempo, die ihn berühmt gemacht hatte. Das war schon nicht mehr so gut.
Das Kerlchen, Biller mit Namen, zettelte dann noch 2 Debatten an, eine über Hirnf*ck im Kulturteil und eine über "Schlappschwanzliteratur" - ein Vorwurf, den sich die Popliteratur so zu Herzen nahm, dass sie in die Ecke ging und tatsächlich vor Scham und miesen Umsätzen starb. Das war gut so.
Biller hingegen versuchte sich an der Krönung des, zumal jüdischen, Intellektuellendaseins: Den grossen Romanen. No. 1 hiess Die Tochter und floppte. No.2 hiess Esra und wurde auf Antrag der mutmasslichen Namensgeberin und ihrer Mutter in Grund und Boden geklagt. Und zwar gleich so heftig, dass sich nicht mehr mal die nicht gerade zimperliche Volksbühne in Berlin rantraut. Statt dessen wird jetzt über das Buch und die Freiheit der Kunst debattiert.
In solchen blutleeren Skandälchen und beleidigten Ex-Geliebten also endet etwas, das mit 100 gnadenlosen Zeilen begann. Hatte der mal besser weitergehasst, statt sich so vorführen zu lassen. Gar nicht gut, das.
Das Kerlchen, Biller mit Namen, zettelte dann noch 2 Debatten an, eine über Hirnf*ck im Kulturteil und eine über "Schlappschwanzliteratur" - ein Vorwurf, den sich die Popliteratur so zu Herzen nahm, dass sie in die Ecke ging und tatsächlich vor Scham und miesen Umsätzen starb. Das war gut so.
Biller hingegen versuchte sich an der Krönung des, zumal jüdischen, Intellektuellendaseins: Den grossen Romanen. No. 1 hiess Die Tochter und floppte. No.2 hiess Esra und wurde auf Antrag der mutmasslichen Namensgeberin und ihrer Mutter in Grund und Boden geklagt. Und zwar gleich so heftig, dass sich nicht mehr mal die nicht gerade zimperliche Volksbühne in Berlin rantraut. Statt dessen wird jetzt über das Buch und die Freiheit der Kunst debattiert.
In solchen blutleeren Skandälchen und beleidigten Ex-Geliebten also endet etwas, das mit 100 gnadenlosen Zeilen begann. Hatte der mal besser weitergehasst, statt sich so vorführen zu lassen. Gar nicht gut, das.
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Samstag, 15. November 2003
Verriss No. 1: Marek Halter, Geheimnisse von Jerusalem
uceda, 21:35h
oder:
Interreligiöse Pfilozofie für Anfenger
Eigentlich gehört Marek Halter nicht zu den Autoren, die man zwangsläufig ins Deutsche übersetzen würde. Es gibt im deutschen Buchmarkt zwar einen enormen Bedarf an jüdischen Literaten. Jeder Verlag, der was auf sich hält, hat zumindest einen Israeli oder einen typischen New Yorker Juden, aber Marek Halter?
Natürlich gab es ein paar Anläufe, den französischen Autor zu importieren, sei es nun mit seinem historischen Roman "Der Messias", oder auf dem Höhepunkt des Interesses an der Shoa mit: "Auf der Suche nach den 36 Gerechten. Gespräche mit den wahren Helden unseres Jahrhunderts." Ein üppiges Buch voller Interviews mit Menschen, die nicht abseits gestanden hatten. Ein weiteres Buch zum Thema, das in seiner wohltemperierten Ausgeglichenheit nicht nur Zustimmung fand und bald darauf im modernen Antiquariat verschwand.
Dass Marek Halter nun doch wieder mit einem Buch präsent ist, dürfte viel mit der Lage im Nahen Osten zu tun haben. Vor vier Jahren in Frankreich veröffentlicht, nimmt der Roman "Die Geheimnisse von Jerusalem" den jetzigen Konflikt in vielen Details vorweg. Ein Buch, punktgenau auf dem Markt platziert. Wenn da nicht ein gewisses Problem wäre, ein deja vu...
Denn bei den Geheimnissen von Jerusalem hat sich Halter eines Themas gewidmet, das wir schon mal hatten: Den Tempelschatz, und der Jagd nach demselben. Indiana Jones hiess der Film, der war witzig, brilliant, und trotz aller Klischees der bösen Nazis, der verschlagenen Araber und der heldenhaften Amis ein Kultfilm.
Und nun geht die Hatz nochmal los. Marek Halter schickt einen Reporter von New York über Paris nach Jerusalem. Der Plan zum Schatz ist eine moderne Diskette, aber spätestens in Jerusalem taucht dann das übliche, sattsam bekannte Personal des üblichen Agentenkrimis auf: Archäologen, Forscher, Spione, und Schurken ohne Ende.
Pittoresk geben sie die Staffage, die man im Orient erwarten kann, als da wären die Hamas, die Irakis und natürlich auch die russische Mafia. Hin und wieder torkelt ein schmerbäuchiger Mossad-Agent durchs Bild, und die knallharte Agentin gibt es auch, quasi die jüdische Ausgabe von Lara Croft. Durch den Nahostkonflikt hat man die Aktualität, durch die Sache mit dem Tempelschatz wird´s gehörig jüdisch philosophisch.
Die anderen Weltreligionen kriegen natürlich trotzdem ihr lauschiges Plätzchen in der Stadt, die angeblich allen heilig ist. Man kann nur hoffen, dass Halter bei Christentum und Islam nicht ebenso verantwortungslos seine Klischees geplündert hat wie beim Judentum. Falls die im Buch beschriebene Leicht & Seichtversion tatsächlich mehr sein sollte als eine Anbiederung ans Publikum, wäre das ausgesprochen traurig.
Man fragt sich allenthalben, warum Halter seine Figuren nicht einfach suchen, einander jagen, töten und Sex haben lässt, wie das nun mal in Krimis sein soll. Alles andere, besonders der pseudophilosophische Kitsch, stört nur. Ansonsten sind Die Geheimnisse von Jerusalem ein wenig gelungener Krimi.
4 von 5 trockenen Chuzpe-Hustern
Marek Halter: Die Geheimnisse von Jerusalem, aus dem Französischen von Iris Roebling. Verlag Rütten & Loening, , 485 S., EUR 23, 20
Interreligiöse Pfilozofie für Anfenger
Eigentlich gehört Marek Halter nicht zu den Autoren, die man zwangsläufig ins Deutsche übersetzen würde. Es gibt im deutschen Buchmarkt zwar einen enormen Bedarf an jüdischen Literaten. Jeder Verlag, der was auf sich hält, hat zumindest einen Israeli oder einen typischen New Yorker Juden, aber Marek Halter?
Natürlich gab es ein paar Anläufe, den französischen Autor zu importieren, sei es nun mit seinem historischen Roman "Der Messias", oder auf dem Höhepunkt des Interesses an der Shoa mit: "Auf der Suche nach den 36 Gerechten. Gespräche mit den wahren Helden unseres Jahrhunderts." Ein üppiges Buch voller Interviews mit Menschen, die nicht abseits gestanden hatten. Ein weiteres Buch zum Thema, das in seiner wohltemperierten Ausgeglichenheit nicht nur Zustimmung fand und bald darauf im modernen Antiquariat verschwand.
Dass Marek Halter nun doch wieder mit einem Buch präsent ist, dürfte viel mit der Lage im Nahen Osten zu tun haben. Vor vier Jahren in Frankreich veröffentlicht, nimmt der Roman "Die Geheimnisse von Jerusalem" den jetzigen Konflikt in vielen Details vorweg. Ein Buch, punktgenau auf dem Markt platziert. Wenn da nicht ein gewisses Problem wäre, ein deja vu...
Denn bei den Geheimnissen von Jerusalem hat sich Halter eines Themas gewidmet, das wir schon mal hatten: Den Tempelschatz, und der Jagd nach demselben. Indiana Jones hiess der Film, der war witzig, brilliant, und trotz aller Klischees der bösen Nazis, der verschlagenen Araber und der heldenhaften Amis ein Kultfilm.
Und nun geht die Hatz nochmal los. Marek Halter schickt einen Reporter von New York über Paris nach Jerusalem. Der Plan zum Schatz ist eine moderne Diskette, aber spätestens in Jerusalem taucht dann das übliche, sattsam bekannte Personal des üblichen Agentenkrimis auf: Archäologen, Forscher, Spione, und Schurken ohne Ende.
Pittoresk geben sie die Staffage, die man im Orient erwarten kann, als da wären die Hamas, die Irakis und natürlich auch die russische Mafia. Hin und wieder torkelt ein schmerbäuchiger Mossad-Agent durchs Bild, und die knallharte Agentin gibt es auch, quasi die jüdische Ausgabe von Lara Croft. Durch den Nahostkonflikt hat man die Aktualität, durch die Sache mit dem Tempelschatz wird´s gehörig jüdisch philosophisch.
Die anderen Weltreligionen kriegen natürlich trotzdem ihr lauschiges Plätzchen in der Stadt, die angeblich allen heilig ist. Man kann nur hoffen, dass Halter bei Christentum und Islam nicht ebenso verantwortungslos seine Klischees geplündert hat wie beim Judentum. Falls die im Buch beschriebene Leicht & Seichtversion tatsächlich mehr sein sollte als eine Anbiederung ans Publikum, wäre das ausgesprochen traurig.
Man fragt sich allenthalben, warum Halter seine Figuren nicht einfach suchen, einander jagen, töten und Sex haben lässt, wie das nun mal in Krimis sein soll. Alles andere, besonders der pseudophilosophische Kitsch, stört nur. Ansonsten sind Die Geheimnisse von Jerusalem ein wenig gelungener Krimi.
4 von 5 trockenen Chuzpe-Hustern
Marek Halter: Die Geheimnisse von Jerusalem, aus dem Französischen von Iris Roebling. Verlag Rütten & Loening, , 485 S., EUR 23, 20
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