Samstag, 15. November 2003

Verriss No. 1: Marek Halter, Geheimnisse von Jerusalem
oder:
Interreligiöse Pfilozofie für Anfenger

Eigentlich gehört Marek Halter nicht zu den Autoren, die man zwangsläufig ins Deutsche übersetzen würde. Es gibt im deutschen Buchmarkt zwar einen enormen Bedarf an jüdischen Literaten. Jeder Verlag, der was auf sich hält, hat zumindest einen Israeli oder einen typischen New Yorker Juden, aber Marek Halter?

Natürlich gab es ein paar Anläufe, den französischen Autor zu importieren, sei es nun mit seinem historischen Roman "Der Messias", oder auf dem Höhepunkt des Interesses an der Shoa mit: "Auf der Suche nach den 36 Gerechten. Gespräche mit den wahren Helden unseres Jahrhunderts." Ein üppiges Buch voller Interviews mit Menschen, die nicht abseits gestanden hatten. Ein weiteres Buch zum Thema, das in seiner wohltemperierten Ausgeglichenheit nicht nur Zustimmung fand und bald darauf im modernen Antiquariat verschwand.

Dass Marek Halter nun doch wieder mit einem Buch präsent ist, dürfte viel mit der Lage im Nahen Osten zu tun haben. Vor vier Jahren in Frankreich veröffentlicht, nimmt der Roman "Die Geheimnisse von Jerusalem" den jetzigen Konflikt in vielen Details vorweg. Ein Buch, punktgenau auf dem Markt platziert. Wenn da nicht ein gewisses Problem wäre, ein deja vu...

Denn bei den Geheimnissen von Jerusalem hat sich Halter eines Themas gewidmet, das wir schon mal hatten: Den Tempelschatz, und der Jagd nach demselben. Indiana Jones hiess der Film, der war witzig, brilliant, und trotz aller Klischees der bösen Nazis, der verschlagenen Araber und der heldenhaften Amis ein Kultfilm.

Und nun geht die Hatz nochmal los. Marek Halter schickt einen Reporter von New York über Paris nach Jerusalem. Der Plan zum Schatz ist eine moderne Diskette, aber spätestens in Jerusalem taucht dann das übliche, sattsam bekannte Personal des üblichen Agentenkrimis auf: Archäologen, Forscher, Spione, und Schurken ohne Ende.

Pittoresk geben sie die Staffage, die man im Orient erwarten kann, als da wären die Hamas, die Irakis und natürlich auch die russische Mafia. Hin und wieder torkelt ein schmerbäuchiger Mossad-Agent durchs Bild, und die knallharte Agentin gibt es auch, quasi die jüdische Ausgabe von Lara Croft. Durch den Nahostkonflikt hat man die Aktualität, durch die Sache mit dem Tempelschatz wird´s gehörig jüdisch philosophisch.

Die anderen Weltreligionen kriegen natürlich trotzdem ihr lauschiges Plätzchen in der Stadt, die angeblich allen heilig ist. Man kann nur hoffen, dass Halter bei Christentum und Islam nicht ebenso verantwortungslos seine Klischees geplündert hat wie beim Judentum. Falls die im Buch beschriebene Leicht & Seichtversion tatsächlich mehr sein sollte als eine Anbiederung ans Publikum, wäre das ausgesprochen traurig.

Man fragt sich allenthalben, warum Halter seine Figuren nicht einfach suchen, einander jagen, töten und Sex haben lässt, wie das nun mal in Krimis sein soll. Alles andere, besonders der pseudophilosophische Kitsch, stört nur. Ansonsten sind Die Geheimnisse von Jerusalem ein wenig gelungener Krimi.

4 von 5 trockenen Chuzpe-Hustern

Marek Halter: Die Geheimnisse von Jerusalem, aus dem Französischen von Iris Roebling. Verlag Rütten & Loening, , 485 S., EUR 23, 20

... comment