Samstag, 14. Februar 2004

Übersehene Bücher, 2. Folge
Wie tief in manchen Verlagen die Moral gesunken ist, sieht man am auf den Kunkel gekommenen Hause Eichborn. Arglistige Täuschung ist das erste, was einem einfällt, wenn man das Buch "Mein Vater, der Tangokönig von New York" durch hat. Titel, Cover und Waschzettel versprachen beim Ausräumen des Bücherregals mit den alten Rezis ganz andere Dinge: Eine Reise über den grossen Teich, der Blick zur Freiheitsstaue, das Ende einer "aufregenden Spurensuche" gewissermassen, und, allein schon wegen dem Titel, eine tolle Geschichte über den besagten Tango-König.



Das zumindest bekommt der kundische Depp, der nicht die Chance hat, in dieses Buch hineinzulesen und gleich zu kaufen, in der Hoffnung, dass bei Eichborn nicht Typen sitzen, die, sagen wir mal, ungeprüft Gräuel-Bücher aus dem Nachlass von Ex-Nazis drucken.

Tatsächlich ist auch das Buch von Agnesa Kadur so eine "Frau in Berlin". 2000, als Eichborn das Buch eintütete, war von Ossi-Hype noch nichts zu spüren. Deshalb wird das Tangokönig-Detail enorm aufgebauscht. während innwärtig eine weinerliche Broilerstory lauert, dass sich der Honecker gewaschen hat. Lasch, betulich und uninspiriert schreibt die Autorin ihr Leben runter, fühlt sich erkennbar immer toll und im Recht, erlebt Dinge, die jenseits der eigenen Verwandtschaft niemand interessieren werden.

Pech für den Verlag mit der Schmeissfliege: 2003 hätte man so ein Getue und Rumgefälsche nicht nötig gehabt. Da hätte das Buch ganz gut neben die Ost-Chronistinnen wie Katja Oskamp und Julia Franck gepasst, und auch qualitativ wären kaum Unterschiede aufgefallen. Vielleicht hätte es sogar ein paar weitere Rezensionen bekommen und wäre nicht sofort wieder aus den Regalen verschwunden.

Und die Beinahe-Pleitiers von Eichborn hätte nicht noch einen Titel, der die Lagerkosten nach oben treibt.

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Dienstag, 10. Februar 2004

Kunkeleien eines Thoren
Herr Kunkel, Autor der mutmasslichen NS-Schmonzette "Endstufe" über sich zu seiner Verteidigung: "verheiratet mit einer Holländerin, deren Vater Widerstandskämpfer war"

Ein Chelm, der da von Persilschein sprechen will. Oder gar von Sippenhaftung für "verschämte geistige Gartenzwerge", um Kunkel zu bemühen. Der Grossvater eines guten Kumpels, mit dem ich mountainbiken gehe, war Obernazi. Ist das jetzt schlimm?

Und das alles nur, weil der Broder im Spiegel dem Thor die Meinung kunkelt, mit Material, das aus Kunkels eigener Feder stammt, ganz gleich, ob nun authorisiert oder nicht. Ist aber auch zu blöd, Verlagsmanuskripte mit meines erachtens geschmacklosen bis abartigen Zitaten so kursieren zu lassen, dass der Broder sie bekommt. Man kann solche Zitate natürlich Romanfiguren in den Mund legen. Nur darf man sich nicht wundern, wenn man dann eine inne Fresse kriegt.

Zumal, wenn man bei Eichborn landet, einem Verlag, der mit dem angeblichen Bericht der mutmasslichen Anonyma letztes Jahr schon mal ins Klo gegriffen hat, nachdem der zur AG gewandelte Laden knapp an der Pleite vorbeischrammte.

Wiederbetätigung, würde man das in Östrerreich nennen. Mal schaun, wann die Eichborner die Steckrüben einziehen und den Lebensborn für den Skandalroman dichtmachen...Also, sagt zumindest der Anti-Held Albrecht Vieselhuber in meinem neuen, gerade in Arbeit befindlichen Roman "Wo Thors Hammer hängt". Natürlich nicht authorisiert, das Zitat.

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Sonntag, 8. Februar 2004

Funny
Aus der beliebten Serie "Jüdische Gemeinden in Deutschland und ihr nicht immer unproblematisches Verhältnis zum Internet", heute Folge 492:

"Jüdisches Berlin" heisst die offizielle Zeitschrift der jüdischen Gemeinde zu Berlin. Allerdings: http://juedisches-berlin.de/homepage.htm ist dagegen die Website einer (inzwischen) Privatperson, spassigerweise von jemandem, der mit den aktuellen Herausgebern des jüdischen Berlins in Clinch liegt. In einem Clinch, der nichts an Härte zu wünschen übrig lässt. Überall in den Medien.

Nur nicht auf der Website. Weil Online, selbst wenn man wie der Betreiber eine GmbH hat wegen online, ich mein, was ist schon online?

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Freitag, 6. Februar 2004

Kein Ju hu, das.
Instinktlosigkeit bei Kabel 1? Wohl kaum. Eher wohlkalkulierte Randale. Weil so blöd sind die beim Sender nun auch nicht. Dass man unter J-Game weitermacht, spricht Jahresausgaben-Bände des Völkischen Beobachters.

Und was das Topic angeht, von wegen, wer ist der Lügner - Da hätte sich laut dem Verhalten in der christlichen Bibel eher "Die Petrus-Show" angeboten. Aber wenn die das gewagt hätten, wären sie ratzingisiert worden, und zwar nachhaltig, von wegen, die Bayerische Landeszentrale für neue Medien macht wirklich ernst.

Lustig ist dagegen sicher das "P-game", das jetzt bei Kabel1 läuft: Da werden nach der verheerenden Quote alle die Schuld auf den jeweils anderen schieben, das Marketing auf den Abteilungsleiter, der auf das Business-Development, die auf die Produktionsfirma, und am Ende ist es der, den man sowieso rausschmeissen wollte - äh..

Wieso heisst das eigentlich nicht ganz simpel Kabel-1-Game?

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Dienstag, 27. Januar 2004

Häppchen-Terrorismus
Heute in einer Stiftung, die im gesellschaftlichen Leben der Stadt eine Rolle spielen möchte: Die üblichen Verdächtigen, wenn es um Terrorismus geht.



Wichtige Namensschilder. Eine gepflegte Debatte, einer war sogar etwas kontrovers und zynisch. Danach ging es wieder sehr ins parteipolitische Detail. Auch bei internationalem Terror kann man über nationale Besitzstände streiten.

Manche kenne ich. Mit manchen war ich schon zu ähnlichen Themen auf ähnlichen Podien. Die Texte haben sich nicht geändert. Eindrucksvolle Namen. Tolle Soundanlage. Hervorragende Häppchen zum Schluss für die, die nicht zwischendrin gegangen sind.

Das ist Berliner Republik, untergelindet. Mit Sicherheit.

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Sonntag, 18. Januar 2004

An die Content-Diebe
Der Du bei Amazon meine C.Seidl-Rezension geklaut hast, Du Wurm! Lies das, ändere Dich, sonst kommt meine Rechtsabteilung über Dich!

Über Knilche wie Dich steht geschrieben: "Er hört nie auf mit seinem Tun . ... Er spricht zu sich selbst: «Ich werde so weitermachen, es wird für mich eine gute Zeit.» Sein Mund ist voller Flüche, voll Lug und Trug; seine Zunge richtet Ärger und Verderben an. ... Er lauert in seinem Loch wie ein Löwe im Dickicht, er lauert, daß er einen Elenden fange; er fängt ihn und zieht ihn in sein Netz. "
...
Was sagt man dazu, Du Wurm? Das hier: Zerbrich den Arm des Gottlosen und Bösen und suche seine Niedertracht heim, daß man nichts mehr davon finde.

Psalm 10, ya Sucka.

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Donnerstag, 15. Januar 2004

M - ein Sender sucht einen Moderator
Irgendwie würde man sich mehr Augenmass wünschen. Es gibt für Herrn Friedmann keinen zwingenden Grund, ins Fernsehen zurückzukehren. Die gesamten Begleitumstände machen die Sache zusätzlich peinlich - Law and Order, wie sich das schon anhört.

Wahrscheinlich ist das Ganze als Rehabilitationsmassnahme gedacht. Für später, weil einmal Promi, immer Promi, dann kommen auch die alten Freunderl von der Yellow Press wieder. Und es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis die Sprüche wieder belehrend und mahnend werden.

Hauptsache, da steht ein Mikrofon und eine Kamera. Aber andererseits, was hat Fernsehen heutzutage noch mit Öffentlichkeit und Meinungsbildung zu tun? Vielleicht passt´s auch.

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Donnerstag, 4. Dezember 2003

"Kultur"-Radio
O mei. Die Zeit, das führende Brandbeschleunigungspapier der gutbürgerlichen Kachelöfen, regt sich ernsthaft über das Ende der Kulturradios auf. Oder über das, was sie dafür halten.

Dabei kann man durchaus auch die Frage stellen, wer diese Kultur eigentlich noch gehört hat. Wer zum Radio ging und genau diese eine, meistens irrwitzig teure und mit verrücktem Aufwand produzierte Egoshow einiger Redakteure rezipiert hat. Zum Beispiel das tränenreiche 24-Minuten-Feature über den Synagogenbau in Deutschland, aus dem so viel falsche Betroffenheit trieft wie aus der typischen Sonntagsrede eines Politikers - und sich die Macherin auf der anderen Seite nicht zu blöd ist, synagogale Musik als Musikbett unter O-Töne zu klatschen. Was der Typ da singt ist egal, solange es nur traurig klingt.

Oder die Kulturkommentare, in denen versucht wird, mit den Kollegen vom FAZ-Feuilleton zu konkurrieren, mit 10 Fremdwörtern und 5 Nebensätzen pro Satz. Oder Beiträge, die mit zeigefingrien Abschweifungen zur traurigen Lage der Kulturnation auf 12 Minuten gestreckt werden. Nur die Ähs schneidet man natürlich nicht aus den O-Tönen - da müsste man ja digital arbeiten, und so ein echter Kulturredakteur hat ja eine Aufnahmeleitung und einen Tekkie, die das alles auf schönem, alten Band machen.

Kost ja nur Gebühren. Man liegt jedes Jahr gut 10% über dem Etat, aber das haben die öffentlich-Rechtlichen irgendwie schon wieder reinbekommen. Wenn es darum ging, dass es vielleicht etwas hörerfreundlicher wird, brach immer der Untergang des Abendlandes an. Jingles oder ein einheitliches Sounding konnte man diesen Leuten nicht zumuten. Und sobald es ein paar zögerliche Reformen gibt, kommen die Kumpels von der Zeit und pisaen rum, bevor sie wieder ein hochspannendes Buch über die Lyrik des Biedermeier unter besonderer Berücksichtigung der Kulturkritik Heines bringen.

Heine würde heute wahrscheinlich FM4 hören. Salon Helga. Und Luna Luce. Und sich freuen, wenn ein paar von den Huch äh Hochkulturnasen mal das reale Leben der Gebührenzahler mitbekommen, auf den Fluren des Arbeitsamtes.

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Dienstag, 2. Dezember 2003

SMakrchpck! Akustisch nachtreten!
Ich konnte es natürlich nicht lassen: Nach dem Aufruf von Sven bei ivy.blogger, doch selbst was zu machen und gegen die hier weidlich durchgekaute Blogsendung des Chaosradios zu setzen, habe ich den Laptop angeschmissen.



Dann ein paar Effekte rausgekramt, einen Text geschrieben und rumproduziert. Natürlich wieder was Destruktives. Aber eben doch was eigenes, wenn man mal vom Zitieren der Mediamarkt-Werbung absieht. Chuzpe, das härteste jüdische Blog der deutschen Bloggosphäre präsentiert: Die Mutter aller Übergeschnappten.

Das Logo wiederum kommt von Sven, und ich möchte Ivy bei der Gelegenheit ganz herzlich grüssen. Das Teil gibt es übrigens auch bei mir als MP3, falls jemand Futter für Kazaa braucht, oder selbst eine Sendung hat.

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Montag, 1. Dezember 2003

Blog Sülz: Aircheck für Chaosradio
Inzwischen bin ich im Internet so heimisch wie im Print, aber Radio ist immer noch das Medium, das mir am meisten gibt. Selber machen ist genial. Nachts ziellos durch die Stadt fahren, und den Leuten am Mike zuhören, ist auch grandios. Das letzte Mal habe ich das am Mittwoch gemacht, Berlin Mitte zwischen Alex und Potsdamer Strasse, und im Radio lief Fritz. Das Thema beim Chaosradio: Die Bloggosphäre.



Ich mag experimentelles Radio. Ich mag es, wenn jemand mal was ausprobiert, was sich sonst niemand traut. Ich kann damit leben, wenn die Gäste noch nicht mal in der Lage sind, ihren Laptop rechtzeitig einzustöpseln. Ich bin da geduldig und belastbar. Ich hasse Mainstream. So gesehen, hätten es angenehme drei Stunden werden können.

Aber nach dieser Nacht tendiere ich dazu, meine tolerante Haltung bei Tempo 90 aus dem Fenster an den Laternenpfosten zu klatschen. Hallo? Jemand zu Hause bei Fritz? Da promotet sich also der Schockwellenreiter und findet es sowas von endgeil, dass mein Radio vor Scham rot wird wie ein Erich H. selig. Der Mann verwechselt seine Website wohl mit der Zentrale der deutschen Bloggosphäre - dabei ist sie vom Standpunkt des Journalisten nicht mehr als die nachlässig zusammengeschraubte Linkliste eines Amateurs, der im Gegensatz zu vielen anderen absolut keinen Grund hat, Journalisten pauschal anzudissen.

Informationsquellen werden von ihm nach eigener Angabe "nachrecherchiert". Grad so, als ob es eine Tugend sei, wenn man irgendwo abschreibt, statt rauszugehen und selbst ein Thema zu machen. Was Journalisten immer noch sehr oft tun, auch wenn das nicht ins Weltbild mancher Internetpropheten passt. Dabei beschränkte sich die medienfeindliche Argumantation in der Sendung darauf, dass die Medien von Interessensgruppen gesteuert werden (besonders die bösen Amerikaner), Blogs schneller als andere Medien sind, neue Themen setzen und Fehler aufspüren. Dass letztere drei Punkte bis heute die absoluten Ausnahmen der deutschen Bloggosphäre sind, kommt nicht rüber. Wäre aber bei dem verkündeten Anspruch gar nicht schlecht gewesen, so etwas Selbstbescheidung.

Wem das noch nicht gereicht hat: Den drei Männern am Mikrophon dürfte es vor allem mit dem Thema Technik nachhaltig gelungen sein, alle am Bloggen Interessierten nachhaltig zu vergraulen. Am Anfang rief noch ein Mädchen an, die einfach was über sich erzählen wollte, und mit dem Nerd-Hirnfick nichts anfangen konnte. Die wurde von der Herrenrunde abgebürstet, von wegen, ist doch eh nur Livejournal, das die Herren eigentlich gar nicht auf ihrer (nachrecherchierten?) Liste hatten. Dann wagte noch einer, nach einem Tool zu fragen, das nur unter Windows läuft: Ganz Bäh für Herrn Kantel, der offenbar Mac und Linux für die alleinseeligmachenden Religionen des Netzes hält.

Mit dem täglichen Bloggeschehen hatte das wenig zu tun: Über eine Stunde Technik und Software pur vom SWR, mit Worthülsen, die da draussen ausser ein paar Freaks niemand versteht. Das geht vielleicht noch im Print, wo man darüber wegblättern kann. Aber es war Radio, und jeder Durchschnittsmensch, der nur drei Sätze hört, schaltet weg. So etwas braucht in seiner Freizeit niemand, arrogante Fachidioten gibt´s an der Schule, Uni und im Beruf genug. Die Moderation war zu blöd oder unwillig, das Abrutschen in den Quotenkiller abzubremsen. Offenbar hatte sie selbst keine Ahnung von der Thematik, sonst hätte sie die Abkürzung "SWR" in einem Forumsbeitrag nicht für den Südwest-Rundfunk gehalten. In der Folge riefen dann prompt nur noch Nerds an, die auch ihren Teil Technik dazufaseln wollten, damit auch jeder merkt, wie supi das Dümpeln im Java ist.

Höhepunkt des Egotrips war dann noch die Werbung für die Konferenz Blogtalk 2 (in Vorbereitung durch SWR), die Projekte des SWR und seiner Kumpel. Was es nicht gab, war eine Erklärung, warum sich so viele Leute inzwischen einen Wolf schreiben, ihre eigenen Geschichten bringen, und dieses Bloggen meist nichts mit dem Tekkie-Gefasel zu tun hat - egal auf welcher technischen Basis, Hauptsache, es läuft. Die wollen etwas tun, was so ein dauersurfender Nerd mangels Besitz nicht kann: Über ihr Leben schreiben, das nicht im Netz stattfindet.

Aber das Wort Tagebuch wollte die Herrenrunde im Studio nicht benutzen, bäh. Wer diese Sendung ohne Grundwissen gehört hat, glaubt, die Bloggosphäre ist eine Tekkie-Sekte von Männern rund um den Papst SWR. Ein Normalo kann nicht mitreden und hat dort nichts verloren - und auch sicher keinen Spass. Einfach was schreiben, für die Freundinnen, das darf nicht sein. So kommt man sicher nicht auf die SWR-Seite, um dort der Aufklärung nach "Nennt mich ´Kant der Medienkompetenz´" Kantel zu lauschen. ´Geissel des Tagesspiegels´ darf man auch sagen.

Im Umkehrschluss: Wenn ein öffentlich-rechtlicher Sender ein spannendes Thema wie Blogs durch einen aufgeblasenen Klüngel verhunzen lässt, nur weil der gegenöffentlich tut und unverständliche Ego-PR-Phrasen absondert, und in drei Stunden keine einzige, wohverdiente kritische Frage reingewürgt wird, dann muss schon was dran sein am Niedergang des Journalismus. Da wurden alle Fehler gemacht, die man im Radio machen kann, und vor allem: Niemand dachte an die Hörer.



Merke: Radio ist immer so gut oder schlecht wie die Typen, die man ans Mike lässt. Mal schaun, ob sie auch so gut einstecken können, wie sie austeilen wollen.

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