Dienstag, 10. Februar 2004

Übersehene Bücher 03, 1. Folge.
davon erstickt. Wir bestellen absichtlich wenig, weil es nicht genug Platz gibt. Es gibt jedes Jahr mehrere tausend Neuerscheinungen mit mehr oder jüdischen Themen und Autoren. Die meisten sind inzwischen Klops, weil sich das Publikum beim besten Willen nicht für noch eine Biographie erwärmen kann. Zumal viele vielleicht eine interessante Geschichte haben, die aber nicht gut erzählen können - oder Lektoren eine spannende Geschichte auf Marktkompatibilität umschleifen. Und als Rezensent sucht man ohnehin nur die Sachen raus, die auf den ersten Blick nach einer guten Story aussehen.

Von Eva Kollischs Buch "Mädchen in Bewegung" habe ich nur gehört. In die Hände ist es mir erst vorletzte Woche gefallen, als ich beim Aufbau das Bücherregal umgeschichtet habe. Hätte ich es letztes Frühjahr gesehen, mit dem kleinen jüdischen Pinup-Mädchen auf dem Cover, das mit wonderbra-Busen an einem Flogzeugmotor schraubt, hätte ich es bestellt.



Es hätte die Pinup-Erwarungen nicht erfüllt, aber es wäre trotzdem eine gute Story geworden. Eva Kollisch, die als, wie man damals sagte "Backfisch", 1940 aus Wien nach New York floh, hat einen wirklich netten autobiographischen Roman über das Leben im Amerika des 2. Weltkriegs geschrieben. Sie war damals in einer linksradikalen Bewegung und erzählt anschaulich, wie es sich so zwischen Flucht, Ausbeutung, Liebe, Sex und Aktivismus an der Heimatfront lebte. Nein, sie war nicht Stalins Botschafterin. Sie war keine entscheidende Akteurin der amerikanischen Politik. Aber sie war eine sehr genaue Beobachterin ihrer Zeit, und sie schildert dieses Leben zwischen jüdischem Elternhaus und der erhofften Weltrevolution mit viel Charme und Esprit. Ungefähr so, wie das Mädchen auf dem Cover aussieht.

Leider ist das Buch vollkommen untergegangen. Auch bei uns in der Sendung. Der Picus-Verlag hat ein besonderes Geschick, seine Bücher für den österreichischen Markt , wo de Gschichtn vun da Hitlazeit eh kaana mag, zu promoten, und Deutschland nicht zu erreichen. Schade drum. Zumal sie auch unterhaltsam und kurzweilig schreiben kann.

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Standard-LeserInnen wissen mehr :-)
Ich hatte im vergangenen Sommer eine Rezension im Standard gelesen und das Buch bestellt. Und es dann in-eins-wech gelesen. War erschreckend und komisch. Und paßte irgendwie in die Lesereihe, die ich mit Steffen Menschings "Jacobs Leiter" verlängerte.

Und da das Buch von Eva Kollisch ja noch immer lieferbar ist, spricht doch nichts dagegen, es noch vorzustellen, oder?

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