Dienstag, 13. Juli 2004

Poser
an der Siegessäule.



Es gibt Schlimmeres. Typen, die glauben, sie hätten irgendein Recht wegen ihrer Linksheit, sich auf die Seite das Opfer zu stellen, zum Beispiel. So Typen halt, die hoffentlich dafür ein paar unangenehme Fragen bekommen. Bald. Sehr bald. Sehr unangenehm.

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Sonntag, 11. Juli 2004

Die einzige wahre Wahrheit
wegen diesem Kommentar: wenn man es ganz genau nehmen würde, dann müsste man viel. Allein schon beim Übersetzen. Denn das ist an sich schon ein Problem. Hu-hu, als die Thora im 3 Jahrhundert vor der Zeitrechnung der Majorität ins Griechische übersetzt wurde, weil die Jungs in Alexandria und Syracus keinen Schimmer mehr von Hebräisch hatten, gab es sicher auch schon a groiss Geschrei. Und Aramäisch erst, was für eine Geistesverrohung.

Und dann noch im Mittelalter, als man es wagte, Bibeln in "Weiberdeitsch" zu verlegen. Mit vielen Bildern. Was für ein Gemetzel! Welche Verrohung, welcher Frevel! Was bilden die sich ein, wo Bilder doch verboten sind. Wer das lesen will, soll sich gefälligst auch dabei anstrengen.

Und als Moses Mendelsohn dann anfing, eine deutschen Tempeldienst einzuführen, was haben sie geschrien, die Bewahrer des Wahren. Sodom. Echt. Mindestens.

Ob Shabbat oder Schabbat, ist mir sheissegal, echt.

Und hey, es ist verdammt lang her, dass ich mich mal so richtig rabbinisch-hardcore-mässig mit Judentum beschäftigt habe. Ich kann nichts beschwören, aber es kann sein, dass es mehr als 1 Leben zurück ist. Man mag mir also das ein oder andere Fehlerlein verzeihen.

Btw, ich hab es im Aufbau mal gewagt zu schreiben, dass für den Tempeldienst neun Männer für den Minjam (stimmt das so? ja? Danke.) ausreichen, weil dann die Thora als 10. mann gerechnet wird. Das sehen manche so, manch andere sehen das nicht so. Als ich dann den Leserbrief eines Rabbiners abdrucken liess, der das nicht so sah, wurde auf meinem Schreibtisch der 1. jüdisch-rabbinische Weltkrieg ausgetragen. Manchmal ist Judentum so was von uncool...

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Donnerstag, 8. Juli 2004

Weites Land
Dieses Bild zeigt gewissermassen die Gegenseite des Tales, das hier beschrieben wurde. Der Jura ist eigentlich eine ziemlich flache Hochebene, entstanden aus den Kalkablagerungen der erdgeschichtlichen Epoche, die von ihm den Namen hat. Damals herrschte hier tropisches Klima.



Heute ist es hier oben sehr windig und kalt. Ein Problem ist die Wasserbeschaffung, denn Bäche sind selten. Das Wasser versickert direkt im porösen Kalkboden.

Der Ort auf dem Bild ist einer dieser kleinen Weiler, in denen es Juden gab. Für eine Gemeinde hat es nie gereicht; die jüdischen Bewohner mussten in die nächste Synagoge gehen, die etwa 10 Kilometer nördlich liegt. Die Hochebene streckt sich hier wie eine Zunge ins Altmühltal; der Ort hier war tatsächlich ein paar Jahrhunderte das Ende der jüdischen Welt. Aber es war auch eine Erfolgsgeschichte, die Jahrhunderte anhielt. Nach allem, was man weiss, verlief das Leben hier oben fast immer konfliktfrei.

Das geht so weit, dass man hier in manchen Bauernhäusern in den Balken noch kabbalistische Zeichen eingeschnitzt findet. Offensichtlich wollten manche Bauern auch den spirituellen Schutz der Juden haben.

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Mittwoch, 7. Juli 2004

Manche Referrer
gehen runter wie Öl. Aber es wird sicher wieder jemanden geben, der sagt, dass es ja kein Wunder ist, wenn es solche Blogs gibt ;-)

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Grenzerfahrung
Unten im Tal herrschten bis zum beginn des 19. Jahrhunderts die Eichstätter Fürstbischöfe. Es ist kein besonders guter Boden dort unten; ohne Eisenverhüttung und später Keramikproduktion hätte diese Region nie besonders floriert, aber alles zusammengenommen mit Wiedewirtschaft auf den Hängen war es im Mittelalter und in der frühen Neuzeit eine wohlhabende Gegend.

Die Hocheben dagegen, von deren Rand herunter das Bild aufgenommen wurde, ist karg, kaum besiedelt, und die Äcker sind voller Steine. Hier ist die jahrhunderte lang die Grenze, die kein Jude ohne Passierschein überqueren durfte.



Die Machtgier der Eichstätter Bischöfe war eigentlich auf das Tal begrenzt. Oben auf der Hochfläche sassen kleine, oftmals protestantische Adlige in ihren Kleinstterritorien. Man merkt es sofort daran, dass es hier oben keine "Marterl", Wegkreuze mit Jesus&Mary gibt. Nach den geschlossenen Herrschaftsgebieten Bayern, Pfalz-Neuburg und Eichstätt begann hier die Kleinststaaterei. Und manche dieser kleinen Territorien nahmen Juden auf, die im späten Mittelalter aus Altbayern vertrieben worden waren.

Es waren keine Goldenen Zeiten. Das Dorfjudentum hat kaum Spuren hinterlassen, wie es überhaupt in Dörfern nur sehr wenige historische Befunde gibt. Kleine Ladenbesitzer, Trödler, Viehhändler waren typische Berufe. Was unten im Tal an grösseren Orten wie Greding oder Beilngries lag, war selbst mit Erlaubnis eine No go Area. Das Tal ist bis heute voll von Geschichten über jüdische Hostiendiebe und Kindsentführer und deren grausamer Hinrichtung.

Gleich nach der Napoleonischen Ära zegen viele Juden nach Bayern. Der Fürstbischof war abgeschafft. Man konnte im Tal siedeln, ganz gleich ob Jude oder Evangele, oder weiter nach Regensburg, München und Ingolstadt. Die kleinen Gemeinden der Hochebene waren gegen 1900 meistens schon aufgelöst. Aber die Erinnerung an diese Grenze blieb über 200 Jahre lebendig. Kann gut sein, dass meine Vorfahren hier oben standen und runter ins Tal schauten, Jahr für Jahr, Generation für Generation, und was für mich nichts weiter als ein paar Meter mit dem Auto ist, war für sie das Ende ihrer Welt. Und manchen gelang es, auf der Hochebene dann wieder die Zeit des Nationalsozialismus zu überleben.

Diese Juden aus der Hochebene des südlichen Franken seien a bsondere Rass gewesen, sagt man in Bayern und Franken. Zäh. Beharrlich und stur. Und eine meiner intensivsten Kindheitserinnerungen ist ein Ausflug mit meiner Familie Mitte der 70er Jhre in dieses ärmliche Kaff, wo ein Teil der Familie herstammt. Mein Vater und ich kamen von der Burgruine herunter, und dann kam eine steinalte Frau auf uns zu und sagte, direkt und ohne zögern: Se san von de Viehhandler Meyer. Des seat man. A bei dem Kleana.

Das sind so die Dinge, an die man denkt, wenn man auf einem aufgelassenen Acker um Klee sitzt, einen Grashalm zwischen den Zähnen und dem Klatschmohn was erzählt.

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Dienstag, 6. Juli 2004

Buchhändlerin
Nicht, dass sich die Wege vorher schon gekreuzt hätten, aber die Buchhandlung damals in der Provinz war die gleiche. Ein mit viel Liebe zum Buch geführter Laden, der immer entweder Mädchen oder Jungs ausbildete, ein Jahr weiblich, ein Jahr männlich. Was dem Gesprächspartner die Buchhandelslehre gekostet hat, natürlich sein Leben veränderte, was ihn in die Nähe der Frau brachte, mit der er zusammen ist, die ich zufällig kennenlernte, die etwas ganz anderes tat, was ungeahnte Folgen hatte, das wiederum mich auf den Plan rief, weshalb ich bei ihr übernachtete und dabei ihn kennenlernte und über eben jenes Geschäft sprach. Da haben wir beide viele unserer Bücher her.

Alles steht auf ungeahnte Weise in Verbindung, und nichts ist jemals vorbei. Und eine Woche später bin ich in der Stadt, in der der Buchhändler immer noch ausbildet, und stehe vor dem Haus, in dem vor 10 Jahren eine seiner Auszubildeten wohnte. Ganz oben, unter dem Dach. In Untermiete bei einem Schauspieler, bei dem alle Mädchen ach und weh sagten. Sie wohnte bei ihm, teilte sein Bad und füllte seinen ewig leeren Kühlschrank, aber sonst war nichts.



Aber das war auch schon schlimm genug, in den Augen ihrer Familie. Denn so tough und fit sie in Lederhosen und mit kurzen Haaren aussah, so sehr ihre Lippen Sinnlichkeit versprachen, und die Augen viel Witz - sie hatte einen massiven Fehler. Den ich erst bemerkte, als ich sie nach vielen Büchern fragte, ob sie nicht mal nach München in die Oper wollte, Nozze di Figaro. Sie wollte. Und dann fragte ich sie, ob sie Essen gehen wollte. Wollte sie auch. Wir gingen in die Hauskneipe der CSU, das Pacelli. Irgendwann wurde das Gespräch sehr frostig und einseitig, ein bis dahin netter Abend entwickelte sich zu einer Katastrophe. Ich war mir dabei eigentlich sicher, dass ich keinen direkten Versuch unternommen hatte, eine Nozze di Uceda folgen zu lassen.

Ihre Kollegin erzählte mir eine Woche später, sie hätte es grauenvoll gefunden, dass ich über Sex redete. Nicht wie, sondern überhaupt. Nun ist mein Buchgeschmack durchaus so, dass mir jede Buchhändlerin allein anhand der bestellten Bücher ein gewisses Interesse an geschlechtlicher Liebe unterstellen darf. Nicht in Bezug auf sie, aber generell schon. Was aber überhaupt nicht akzeptabel war, in diesem Fall, denn die Buchhändlerin, um die es geht und mir damals auch ziemlich direkt ging, war bei den Zeugen Jehovas. Qua Geburt. Was ich nicht wusste. Und mir auch nicht vorstellen konnte, denn Zeugen Jehovas waren komische alte Leute mit komischen Zeitschriften, aber keine knackigen Händlerinnen von, um Beispiele meines damaligen Kanons zu liefern, Aragon, de Sade, Mirabeau und Le Sage.

Nun konnte man in dem kleinen Buchladen schlecht voreinander davonlaufen, und ich entschuldigte mich auch, falls ich denn ihre Gefühle verletzt hätte, die sie ja eigentlich gar nicht haben könnte, in dieser Angelegenheit. Und das wunderbare an unserer Service-Gesellschaft ist, dass im Beruflichen auch eine Zeugin Jehovas einen lästermäuligen Semiten mit ausgesuchter Freundlichkeit behandeln muss, was dieser dann zurückgeben kann. So sassen wir dann doch wieder manchmal im Cafe. Und ein halbes Jahr später erzählte sie beiläifig, dass sie ausgestiegen sei. Und ab jetzt beim Schauspieler wohnte. Und einen Freund hatte sie auch noch.

Das hielt auch nicht gerade lang, und dann war ich dort oben unter den Dachgauben bei ihr, wo Tauben müde zum Fenster reinblinzelten und alles sehr pariserisch tat, was diese Provinz manchmal beängstigend gut kann, so dass man sich fast vorstellen kann, hier zu bleiben und alt zu werden, und wo Kronzeuginnen gegen Jehova auspacken, geschieht ihm recht, dem alten Lustfeind, das Licht war pastellig auf ihrer Haut und sie lag auf dem Bett. Es wurde sehr spät, und ich sprach nicht nur über Sex, aber der Schauspieler war nicht da, und es war so eine dieser Nächte, die nie enden dürfen und wenn doch dann später als sie mit ihren Pianistinnenhänden meine Hand nahm und da noch ein letzter Rest Zweifel war, doch sie

Wenn es eine universelle Gerechtigkeit gegeben hätte, wäre sie in dem Moment, hier, jetzt, heute, zufällig wieder in dieser Provinzstadt gewesen, die sie schon lange verlassen hat, und wäre die schmale Gasse hochgekommen, wo ich stand. Und ich hätte nicht das googlesche Orakel nach ihr befragen müssen, das mir jede Antwort schuldig blieb.

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Sonntag, 4. Juli 2004

Verständnis
Eigentlich sollte man sich als Mensch, und besonders auch als Journalist in den anderen hineinfühlen können. Man sollte es zumindest versuchen. Aber es ist nicht leicht, weil man mehr über den anderen wissen müsste, als man in der kurzen Zeit des Gesprächs erfahren kann. Zumal, wenn man den Eindruck hat, dass es einfach keine gemeinsame Basis und Werte mehr gibt. Diese Kamikaze-Typen, die so voller Hass sind, dass sie jeden nur denkbaren Schaden für den kleinsten persönlichen Vorteil anrichten, diese Endsieg-Apologeten, die auf Walhalla geil sind, wo sie dann neben Thor, Marx, Scheich Jassin sitzen. Die jede Vermittlung ablehnen, damit sie weiter zu den Reinen gehören, desto weniger Auserwählte, desto exklusiver, desto besser.

Ich will ehrlich sein: Mir ist jeder hohle Fashion Victim, der Menschen nach Kleidern beurteilt, hundertmal lieber als diese Polit-Headbanger ihrer eigenen, beschissenen kleinen Ideologie. Und ich verstehe sie nicht, ich kann nicht mit ihnen, denn als Journalist muss man über alles reden können, und das können sie nicht.

Ich weiss also nicht, wie sie sich fühlen, wenn sie in das Visier der Medien geraten, ich weiss nicht, wie sie damit fertig werden, wenn es knallt, was mit ihnen geschieht, wenn es mit 25.000 Visits einschlägt.

Das heisst, eigentlich weiss ich es schon. Aber eben nur aus der Perspektive derer, die auf der richtigen Seite der Kanone sind.

Und ich werde den Teufel tun, meinen Standpunkt zu wechseln.

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Sonntag, 27. Juni 2004

Was man mal erfinden müsste
Ein wegklappbares Judentum. So wie das Verdeck eines Cabrios. Manchmal ist es wunderbar, so ein Verdeck zu haben. Zum Beispiel in diesem sog. "Sommer". Aber manchmal will man auch offen fahren, ungeschützt in der Sonne, da können die Mediziner noch so laut vor Hautkrebs warnen, der Heuschnupfen mag einen noch so sehr zum Keuchen bringen. Mit Sonnenbrille sieht man die verquollenen Augen nicht, und bei Tempo 180 hören die anderen auch den Husten nicht mehr.

Ein wegklappbares Judentum hätte wohl auch ein paar negative Folgen. Es klingt jetzt saublöd, ich weiss, aber genausowenig, wie Nichtjuden die Erfahrung kennen, hierzulande Jude zu sein, mit all dieser abartigen Komik, und all den Dingen, weswegen man sein Gegenüber oft mit dem Kopf an die Wand, und so, genausowenig kann man sich als Jude wirklich vorstellen, wie das mal so ganz ohne wäre. Denn da ist immer irgendwo der Kitzel, es zu wissen, wenn man es den anderen nicht sagt, und manchmal auch das Martyrium, es nicht sagen zu dürfen.

Normalität? No way. Ich habe mal den Studienort gewechselt, etwa 200 Kilometer, in Folge einer Guerillaaktion gegen meinen Institutsvorstand, die zwar ein Erfolg war, aber mehr für die Studenten als für mich als ihrem Obermacker. Die Sache mit meiner Herkunft hatte ich, blöderweise, prahlerisch verbreite mehrmals ausdrücklich erwähnt, mit der Folge, dass mich manche Kommilitonen nicht nur für schwul und linksradikal, sondern auch für verantwortlich für die Lage im Nahen Osten hielten. Den ersten Punkt konnte ich noch widerlegen, indem einige Langzeitpärchen am Institut plötzlich finale Beziehungskrise hatten, der Rest hingegen blieb an mir kleben.

Neuer Ort, neues Glück. Der Ort hatte keine jüdische Gemeinde, die Studenten kamen aus der Region und waren so dumpf und behäbig, wie man es dort nun mal ist. Ich sagte keinen Mucks über jedewelches Judentum, denn der Ort machte auf mich den Eindruck, dass Hexenverbrennung dort längst als Brauchtumspflege anerkannt ist. Länger als 2, 3 Tage war ich sowieso nie dort, um den sofortigen Gehirntod zu vermeiden. Die Hölle ist kein Loch mit Feuer, die Hölle hat ein paar 10.000 Einwohner, viele Studenten, Fachwerkhäuser, und eine äh einen linken AStA, der damals so kritikfähig wie ein stalinistischer Staatsaanwalt war - ich vermute mal, inzwischen ist er ein paar Kilometer weiter nördlich*.

Dort also machte ich die letzten Scheinchen nach, unter anderem einen für eine Exkursion, weil ich eine Exkursion in München zerschossen hatte. Ich ging in der Nähe von Brixen mit ein paar Mädchen runter in die Stadt, war irgendwie erst gegen 9 Uhr zurück und Anlass einer der oben erwähnten Beziehungskrisen, was sich auf mein an diesem Tag zu absolvierendes Referat - Melaun-Keramik - verheerend auswirkte. Die Exkursion am neuen Seminar ging 2 Wochen kreuz und quer durch das von mir heiss geliebte Südfrankreich, ohne dass es zu irgendwelchen amourösen Verwicklungen gekommen wäre.

Es kam zu etwas Anderem. Jeden Abend vor den Zelten sammelten wir uns, wenn das nächste Kaff zu weit weg lag - und die von uns besuchten keltische Oppida lagen in aller Regel sehr weit weg von jeder modernen Ansiedlung. An jedem dieser Abende kam es zu Debatten, und es kam immer irgendwie auf ein Thema: Juden. Ich sass mit meinem cabriomässig zurückgeklappten Judentum dabei, hörte mir die Geschichten der gesammelten judenrettenden Grosseltern, möglichen eigener 1/8-Judenschaften und bombensichere Fakten über das Judentum an, von denen ich bis dato noch nie gehört hatte.

Schliesslich, drittletzter Abend in Lauzun (wo es im Übrigen eine grandiose romanische Kirche gibt), war dann das Thema jüdische Trauerfeierlichkeiten gekommen. Der Typ, dessen Opa in der SS an der Ostfront Juden gerettet hatte und vielleicht sogar was mit dem 20. Juli zu tun hatte, referierte ausgiebig über jüdische Begräbnissitten, etwa welche Blumen mitzubringen sind - in Wahrheit überhaupt keine - und irgendwann hatte ich die Schnauze vol und sagte in die ehrfürchtige Stimmung am mitgebrachten Grill und Schweinswürschtl hinein: "Sorry, Mann, aber Du hast echt Scheisse im Hirn." Und erklärte grob, was jüdisches Begräbnis bedeutet. Ich verwendet auch Worte wie Kaddisch - vielleicht manchen bekannt - oder Chewra Kaddischa - und da dräunte es dann manchen, dass das nicht unbedingt Allgemeinbildung ist. Und wenn der Typ sowas weiss, dann stellt sich doch eine Frage....

"Sag mal, bist Du äh jüdisch?", platzte es aus dem SS-Judenretter-Enkel-Ekel heraus, hinein in den sternenklaren Himmel über dem sommerlichen Burgund.

Und so enden dann die Versuche als Cabriojude mit zurückklappbarem Judentum. Die letzten drei Tage waren der Horror; mancher musste seinen schon erprobten Philosemitismus dann gleich am lebenden Objekt ausprobieren. Will sagen: Es geht einfach nicht mit dem Wegklappen, so schön es wäre.

Im Moment versuche ich es aber quasi als Targa-Jude. Manchmal nehme ich es ab und verstaue es teilweise im Kofferraum, das Judentum, aber die Scheiben sind noch da. Allerdings werde ich es nächste Woche wieder dringend brauchen, fürchte ich.

*An alle Deppen: So macht man das ohne jedes Klagerisiko.

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Mittwoch, 23. Juni 2004

Die Beth Zion Synagoge in der Brunnenstrasse, Teil 2
Nachdem es gestern um den Eingangsbereich der Beth Zion Synagoge ging, heute noch ein paar Impressionen des Langhauses.



Es gibt dazu wenig zu sagen, denn die Bilder sprechen für sich selbst.

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Beth Zion, Brunnenstrasse, Berlin Mitte, 21.6.2004
Geht man um die Ecke, sieht man sofort weitere Beschädigungen. Die verfärbungen der Mauer sind wahrscheinlich die Folge erheblicher Schäden im Dachstuhl.



Eine paar Gläser der Obergaden sind zerbrochen. Sie sind so hoch gelegen, dass vandalismus als Ursache ausscheiden kann. Vielleicht sind sie im Winter durch die Kälte gesprungen.



Vor dem Langhaus war eine Grünanlage, die völlig sich selbst überlassen ist. Besonders Brenesseln gedeihen hier.



Auch das Jäten von Unkraut entlang des Langhaues unterbleibt. Deshalb zwängen sich auch überall Pflanzen zwischen den Beton des Vorplatzes und die fassade der Synagoge.



Der Hintereingang ist durch das Regenwasser verfärbt und augequollen. Ein Aufkleber ist das einzig sichtbare zeichen mutwilliger Verunstaltung; alle anderen Schäden sind wohl durch die Zeit entstanden.



Ein Blick durch die schmutzigen Fenster in das Innere der Synagoge zeigt das ganze Ausmass des Schadens: Putz bröckelt von den Wänden, und die Mauern sind überzogen mit Löchern und Rissen. Wahrscheinlich ist die Synagoge inzwischen baufällig.



Noch eine persönliche Bemerkung zum Schluss: Ich photographiere eher selten Synagogen. Natürlich denkt man sich, schade um das Gebäude, aber das Judentum erachtet die Synagoge weniger wichtig, als das Christentum die Kirche. Eine Synagoge kann auch ein Zelt sein, eine Hütte, jedes Gebäude, wo 10 Männer zusammenkommen, um die Thora zu lesen und zu feiern.

Aber da war dieser Eimer, den jemand auf die Mauer zur Grünfläche abgestellt hatte, und der zu hart war, um darüber hinwegzugehen. Die Aufschrift, die für mich die Banalität der totalen Gleichgültigkeit in diesem Land symbolisiert: Für heisse Asche. So gesehen am 21.6.2004 in Berlin.



Zum 1. teil der Serie.

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