Freitag, 13. Mai 2005

Shabbat Shalom zum Nachdenken,
was da eigentlich falsch gelaufen ist. Man könnte es sich sehr einfach machen und sagen, das Gedenken an deutsche Verbrechen ist eine Sache der Deutschen, insofern ist Lea Rosh deren Problem. Aber so einfach ist es nicht. Spätestens seit dem Staatsakt ist vollkommen klar, dass die Initiatorin es als ihr Denkmal betrachtet, für sich und die toten Juden, als deren Päpstin sie auftritt, mitsamt Reliquie. Kurz, die zweibeinige Sucht nach Anerkennung ist unser, jüdisches Problem.

Wir haben uns immer rausgeredet, sind in Beiräte gegangen, haben allenfalls am Rande mitgeredet, weil es ja nicht um uns ging. Und wenn die Medien ihre Judenquote via Mahnmal abgefeiert haben, sagten alle gesagt, das geht vorbei, besser das, als dass die anfangen, über unsere Skandale in Augsburg, Brandenburg, Berlin, Hamburg und Sachsen-Anhalt zu reden. Wir haben es uns gemütlich gemacht, die Geschichte war bequem, und man kann es ja auch verstehen. Schliesslich ist es für uns allemal eines der lustigeren Kapitel der jüdisch-deutschen Geschichte gewesen, die Deutsche Rosh und den Deutschen Piper und den Deutschen Kohl und so viele andere Deutsche beim gegenseitigen Zerfleischen und Schlittern auf der eigenen Schleimspur zuzuschauen. Jetzt ist es aber mit dem Spass vorbei, Frau Rosh plündert jüdische Gedenkstätten für ihr eigenes Projekt. Kein Wunder, wenn die Deutschen das Ding so nicht annehmen wollen - die haben vielleicht früher als wir kapiert, dass es so nicht gehen kann.

Das Denkmal ist wertlos und entwertet. Ich denke, man sollte im Sommer von jüdischer Seite darauf protestsonnen, mit Handtuch und Sonnencreme, um zu zeigen: Das hier ist nichts heiliges, nichts Bedeutsames, nur ein Fragment des skandalösen Scheiterns der anderen Seite, und unseres Versagens, das zu verhindern. Wir hätten früher eingreifen müssen und klar formulieren, was wir erwarten. Das Ergebnis war, dass sich die Lauteste, geschmackloseste und Skrupelloseste die Meinungshoheit darüber angeeignet hat. Damit steht sie aber nur in einer perversen, langen Tradition von Usurpatoren. Der Kirchenfunk der Öffentlich-Rechtlichen ist nicht frei von Arschkriechern, Heulsusen und Besitzstandwahrern, das Judentum wird von ihnen zu oft als kollektives Beicht- und Winselritual vergewaltigt, die brauchen uns zu den paar Gedenktagen, ansonsten interessieren wir die gar nicht, inklusive all unserer Integrations-, Sozial- und politischen Probleme und Themen. Und wir selbst waren und sind immer noch zu faul, diese Bande aus unserem Thema hinauszutreiben. Judentum machen wir schon, aber beim Vermitteln hapert es noch gewaltig. Das muss sich radikal ändern. Und natürlich ist das ein Drecksjob, den Scheiss denen vor die Füsse zu kübeln, die ihn jahrzehntelang angerichtet oder zugelassen haben.

Aber dafür braucht man Aufruhr, Randale und Exzess. Dafür ist das "Denkmal" hervorragend geeignet, es ist kein Friedhof, es ist nicht authentischer als der Versuch von Lea Rosh, selbst eine jüdische Rolle zu übernehmen, es ist nur ein bescheuerter Haufen Steine, und auf ihm zu liegen, sonnenbaden, herumzuturnen, zwischen den Steinen zu hüpfen und laut zu sein

IST KEIN OFFIZIALDELIKT ODER SCHÄNDUNG, SONDERN NUR EIN VERSTOSS GEGEN EINE HAUSORDNUNG,

und das sollten wir tun. Zeigen, dass wir die Vorschriften der Päpstin Lea und all ihrer Clone nicht achten. Deren Mahnmal ist dafür die perfekte Bühne.

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Passiert doch schon. Heute druckte der Tagesspiegel auf der Seite 1 ein Foto von Jugendlichen, die von Stele zu Stele hopsten. Überschrift: Das Gedenken ist frei.

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Sprachlos
Ich war zuerst völlig sprachlos, als ich die Geschichte las. Dann wurden hier sehr klare Worte dazu geschrieben, denen eigentlich nichts hinzuzufügen ist. Allerdings ist Frau Rosh offenbar inzwischen zur Besinnung gekommen (oder gebracht worden?): der Zahn soll in das ehemalige Konzentrationslager Belzec zurückgebracht werden. Laut SPON hat sie ihn bereits vor 17 Jahren von dort mitgenommen.

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Offtopic
Unterhaltsames Blog. Schön planlos böse.

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