Dienstag, 4. Januar 2005

Georg Stefan Troller: Das fidele Grab an der Donau
Im Reich der jüdischen Legenden kommt die Stadt Wien ziemlich bald hinter der Stadt Jerusalem, ungefähr auf einer Höhe mit Berlin und knapp vor New York und Hollywood. An der Legende des jüdischen Wien wurde lange gestrickt, und mit dem oben bezeichneten Buch ist ein weiterer Faden zum undurchdringlichen Dickicht aus Heimatliebe, sentimentaler Lüge und Weitertratschen und Variieren längst bekannter Anekdoten dazu gekommen.



Troller hat es dabei nicht leicht. Gibt es doch mit den Büchern der Tante Jolesch von Friedrich Torberg unübertroffene Meisterwerke dieses Genres, hinter deren Leichtigkeit und Witz Troller zwangsweise zurückbleiben muss. Und da ist noch eine andere Sache: Während Torberg über das jüdisch geprägte Wien schrieb, schreibt Troller, der dieses Wien in seiner Jugend noch selbst erlebte, als Wiener Jude über Juden in Wien, immer die kommende Katastrophe vor Augen. Das mag politisch korrekt sein, ist aber dem Vergnügen etwas abträglich. Dass er von den Zeiten weitaus weniger erlebte als Torberg und deshalb oft zitieren muss, ist ein weiteres Manko.

Aber es wäre nicht fair, ihn für dieses Versagen am Titanen Torberg zu schelten. Troller macht seine Sache gut, und vielleicht wäre es noch besser gewesen, wenn er mehr von seiner eigenen Geschichte nach vorne gebracht hätte, denn er selbst kam 45 als US-Soldat zurück. Davon gibt es leider nur Andeutungen. Für einige vergnügliche Stunden ist das Buch allemal ausreichend; es ist sehr kurzweilig geschrieben, man kenn es sich im Wiener Tonfall vorstellen, und als erweiterte Anekdotensammlung nutzen. Kleine Flüchtigkeitsfehler, die man entdeckt, sind nicht störend, denn wer kann bei Legenden schon sagen, was stimmt und was nicht. Eben.

Georg Stefan Troller, Das fidele Grab an der Donau ist bei Artemis und Winkler erschienen und kostet 24,9o Euro

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