Donnerstag, 7. April 2005

Jörgl gewürgelt
Ich war in der schlimmsten Phase in Österreich: Während der Sanktionen gegen die Nazi-Erzreaktionären-Koalition. Ich schreibe das hier so, weil die FPÖ und die ÖVP beides keine Parteien sind, die man aus den deutschen demokratischen Spektrum kennt. Davor habe ich ziemlich intensiv auch mit bayerischen Politikern zu tun gehabt, und da sind enorme Unterschiede. Gegen das Politikverständnis eines normalen ÖVP-Parlamentariers nimmt sich ein CSU-Politker wie ein Linksradikaler aus. Und auch die SPÖ, und besonders Gusenbauer ist in etwa so aufgeschlossen wie die SED in der Frühzeit von Honecker. Österreich an sich ist nach meinen Erlebnissen keine Demokratie, sondern ein Klientelstaat mit einer Wahlmöglichkeit, die aber in der Politik nicht ernster als der Ausflug zum Heurigen genommen wird. Korruption, Pfründeschacher und Käuflichkeit sind keine Randerscheinungen, sondern normale Tätigkeitsbeschreibung eines grossen Teils der politischen Klasse, der gesellschaftlichen Spitzen und der Medien.

Nur mit diesem Basiswissen konnte man verstehen, warum es denen vollkommen scheissegal ist, wie dieses kaputte Stück Politmüll in den Alpentälern von Draussen beurteilt wird. Wichtig ist allein die innere Sicherung der Einflusssphären - für die von Aussen kommenden hat man Presseorgane, die in Deutschland in etwa mit der National-Zeitung vergleichbar sind. Und in diesem Klima gedeiht er prächtig, der kleine Unterschichten-Nazi, dumm, scheusslich, hasszerfressen und nur glücklich, wenn die Wiener Polizei mal wieder einen wehrlosen Schwarzen umbringt. Oder ein Altnazi als verhandlungsunfähig eingestuft wird. Das sind grosse Momente für breite Schichten der Bevölkerung; besonders in Wien, Linz und Salzburg.

Ich denke, die Zeit damals war für mich so hart, wie sie nur sein konnte: Jude, unterwegs für eine jüdische Zeitung der Ostküste, die als Hausblatt der Claims Conference (falsch) und mancher Opferanwälte (nicht ganz falsch) galt. Wo ich war, war Krieg. Der erste Satz war meistens: "Wir sind keine Nazis", gefolgt von "Auch die FPÖler sind sicher keine echten Nazis", dann "Nazis gibt es in Deutschland" und zum Schluss: "Weil hier keine Nazis sind, ist es auch nicht antisemitisch, wenn ich jetzt sage, dass ihr Juden Euch gefälligst hier rauszuhalten habt, schaut Euch nur mal Palästina an, und Euer WJC ist ja auch ein krimineller Laden". Diese Logik der Ösis haben schon Karl Kraus und Anton Kuh verzweifeln lassen.

Dieser dicke braune Bodensatz von Österreich also ist etwas, das Jörg Haider jetzt mit seinem BZÖ loswerden will, nachdem er den Bodensatz als Anführer nibelungentreu gedient hat. Seine letzten Sager gegen Juden sind schon eine Weile her, und inzwischen ist ihm der deutliche Rechtsdrall nicht mehr so wichtig. Hauptsache, er kann weiterhin in Österreich mitbestimmen, und keiner in seiner Partei kritisiert ihn. Die braunen Fusstruppen braucht man nicht mehr - denkt Haider.

Die "Buberl-Partie", seine Clique von Karrieristen ist zwar auch rechtsextrem, aber anders. Nicht mehr so dumpf, sondern mit klaren Vorstellungen zur Ausweidung des Landes: Erst die Pfründe, dann der konsequente Einsatz der Macht für noch mehr Pfründe. Und darin unterscheiden sie sich von ihren Kernwählern. Ich glaube, Haider war lang nicht mehr in einer normalen Eckkneipe in einem schlechteren Viertel. Der polierte BZÖ-Faschismus passt nicht zum dummen Fremdenhass der normalen Rechtsaussen. Die wissen genau, dass in der FPÖ weiterhin die brunzdumme Nazischeisse weiterköchelt, die sie wollen, und werden sie weiterhin wählen. Andere Wählergruppen wird das BZÖ so schnell nicht finden; nacht nach den bisherigen Katastrophen in Regierungsunverantwortung.

BZÖ ist nur ein Konstrukt, eine Erfindung von Werbestrategen, die völlig am braunen Markt vorbei geht. Das ganze Affentheater wird am Ende niemandem was bringen - nur FPÖ und BZÖ werden auf dem gleichen Müllhaufen landen, auf den man schon 1945ff die Haier-Vorgänger hätte werfen sollen.

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