Donnerstag, 20. Mai 2004

Die Rattenlinie der CDU
Wenn am kommenden Sonntag über den Nachfolger des hoch geachteten Bundespräsidenten Rau und damit über das höchste Amt im Staat entschieden wird, entscheidet einer mit, der in seinem 90-jährigen Leben schon ganz andere Entscheidungen getroffen hat: Der ehemalige Marinerichter Hans Filbinger. Der schrieb noch in den letzten Tagen des Naziregimes an Todesurteilen gegen deutsche Soldaten mit, die im Gegensatz zu ihm längst begriffen hatten, dass das Dritte Reich und der Treueeid zu dessen Führer sinnlos oder verbrecherisch waren und deshalb Fahnenflucht begingen - wie es damals hieß.

Diese Opfer der nationalsozialistischen Richterschaft sind heute rehabilitiert. Filbinger, der in der Nachkriegszeit in der CDU Karriere gemacht hatte und es bis zum Amt des Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg brachte, wurde nach der Aufdeckung seiner früheren Tätigkeit von einem Sturm öffentlicher Entrüstung aus dem Amt gefegt. Was damals Recht war, kann heute kein Unrecht sein, war das Zitat, mit dem Filbinger sich aus seiner persönlichen Schuld und Verantwortung stehlen wollte. Er ging nicht freiwillig, ohne Reue oder Einsicht.

Dieselbe Einsicht fehlt offensichtlich auch der CDU, denn sonst hätte sie dieses peinliche Fossil ihrer eigenen Geschichte nicht in die Bundesversammlung geschickt. In der Person Filbinger ist genau das vereint, was der konservativen Volkspartei bis heute den Ruch des Völkischen, Nationalistischen, der Blindheit gegenüber der deutschen Geschichte einbrint. Die Partei hat immer wieder Ex-Nazis in hohe Ämter gehievt, und erst dann aufgehört, als diese Personengruppe schlichtweg physisch dazu nicht mehr in der Lage war. In allen Debatten vom Historikerstreit über die Wehrmachtsausstellung bis hin zur Entschädigung der Opfer der deutschen Militärjustiz spielten weite Teile der CDU eine peinliche Rolle: Immer mit viel Verständnis und Nachsicht für die Täter, und der Neigung zur Verharmlosung oder Verleugnung ihrer Verbrechen. Wie man dann letztes Jahr im quälenden Prozeß um die antisemitischen Äußerungen des CDU-Abgeordneten Hohmann sehen konnte, sind das nicht nur Streicheleinheiten für das wegsterbende Klientel der alten Nazis, sondern Zeichen eines Ungeistes, der bis heute in der CDU grassiert.

Die Borniertheit, mit der diese Partei solchen Gestalten die Rattenlinie in Amt und Würden offen hält, ist nicht nur ein moralisches Armutszeugnis, sondern auch ein hinterhältiger Anschlag auf das Deutschland, das nach 1945 entstanden ist. Ein Deutschland, das sich solche politischen Amokläufe aber auch nicht gefallen läßt: Die öffentlichen Reaktionen in Deutschland auf die Ernennung Filbingers sind fast durchgehend negativ bis angewidert. Es zeigt sich, dass außer ein paar Rechtsaußen niemand mehr ehemalige Vertreter der Funktionselite des Dritten Reiches in öffentlicher Verantwortung sehen will.

Im Gegenteil: Mit ihrer Entscheidung, Filbinger noch mal über die Geschicke des Landes entscheiden zu lassen, hat die CDU ihren eigenen Kandidaten Horst Köhler desavouiert. Filbinger ist die zentrale Symbolfigur der gescheiterten Aufarbeitung der NS-Diktatur und ihrer Justiz. Filbinger steht für die perverse Logik, dem NS-Staat eine Legitimität zusprechen zu wollen, und für die Dreistigkeit der Täter, sich, wenn sie die Konsequenzen zu spüren bekommen, als Opfer zu geben. Das alles ist leider ein Teil der Bundesrepublik Deutschland, aber eben auch ein Teil, der inzwischen demokratisch niedergekämpft, besiegt und überwunden ist. Dieser Sieg über die Altlasten der Nazis ist eine der zentralen Botschaften, für die Köhler im Fall seiner Wahl national und international stehen sollte.

Aber das geht nur, wenn Filbinger am kommenden Sonntag nicht in der Bundesversammlung sitzt. Die CDU sollte dieses Rauskegeln als Chance begreifen. Vielleicht schafft sie es ja diesmal, endlich mit ihrer traurigen Tradition zu brechen.

(c) Rainer Meyer, Aufbau N.Y.

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nichts Neues!
Viele Nazis oder zumindest deren Nachkommen waren/sind heute in hohen Ämtern. "Wissenschaftler" -besser: Mörder!!- der Nazi-Tibet-Connection sind heute Profs, und ein zur NS-Zeit Deportationspapiere unterzeichnender Vater hinderte den Sohn nicht daran, zum Bundespräsidenten gewählt zu werden.
Gewisse Leute sind in jedem System obenauf, Trittbrettfahrer sollten endlich endlich abgeworfen werden.

http://www3.mdr.de/dokumentationen/nazis_tibet.html
..."Sauwut" wäre stark untertrieben, mein Empfinden am vergangenen Montag Abend zu beschreiben.

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Diese Chance wird vertan werden
Die Nicht-Linken werden sich doch nicht wegen diesem Altnazi -Neudemokraten und dem möglichen taktischen Faux-pas den Weg zur Macht versauen lassen.
Die Welt verteidigt ihn nicht direkt (Gesicht wahren für den Ernstfall). Das andere Blatt der Wahlfrau Elfriede wetterte allerdings unlängst gegen die ehemals koksende und kiffende Wahlfrau Gunilla von Turn und Taxis. Das zeigt, wo die Prioritäten liegen.

"Ob es klug war, den 90-Jährigen wieder zum Wahlmann zu küren, darüber kann man nachdenken. Ganz klar aber ist die Strategie im linken Lager, die hinter dem Protest gegen Filbinger (übrigens gab es den gegen ihn bei früheren Präsidentenwahlen nicht) steckt: der letzte Versuch, Union und FDP einen schweren Schlag zu versetzen und damit die eigene Macht noch ein bisschen länger zu retten. Ein durchsichtiges Manöver."
http://www.welt.de/data/2004/05/21/280567.html

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Ist doch alles gar nicht wahr!
Filbinger gutt Krieger. Tapfer gegen braunen Mann.
HEILHUGH!
http://www.hans-filbinger.de/content.php?kat=FAKTEN+%DCBER+FILBINGER

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Schönhuber, Horst Mahler und Globke hätten Filbinger sicher Recht gegeben.

Und Widerständler waren sie alle. Huh, wie sie sich darum gerissen haben, dem Hitler eine Bombe unterzuschieben. Überhaupt, Nazis waren doch nur die, die in Nürnberg zum Tode verurteilt wurden.

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Ich frag mich, wie Golo Mann auf seine Rechtfertiger-Liste gekommen ist. Umso mehr, als dass er der einzige aus der nicht gerade als linksradikal verrufenen Historikerzunft zu sein scheint, den Filbinger auf seiner Homepage anführen konnte.

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