Samstag, 15. November 2003

Unsere Kumpels da draussen, Teil 1
Das mit dem Internet und den Juden ist so eine Sache. Zumal ausserhalb von Amerika und Israel. Die Websites von Gemeinden sind, so es sie gibt, nicht gerade gelungen. Oft auch einfach nur Datenmüllhalden. Das liegt zum einen an nötigen aufwendigen Sicherungsmassnahmen, nachdem sich Nazis, Juden und arabische Extremisten im Cyberspace gegenseitig die Websites abschiessen, grad so, als ob es nicht schon genug Ärger gäbe *grummel*.

Zum anderen fehlt es oft an der nötigen Erfahrung im Umgang mit dem Medium, und dann noch am Geld. Teure Geldschleudern wie Video-on-Demand bei life-tv oder Marktforschung zu Online-Andachten, wie es die Kirchen in Deutschlandbetreiben - sorry, da gibt es in den jüdischen Gemeinden in aller Regel wichtigere Dinge zu tun.

Folglich bleibt vieles der Privatinitiative Einzelner überlassen. Most popular:

Juden.de

Bitte das Design einfach ignorieren. Ja, es ist ... wie soll ich sagen ... das Design bei Seiten ist ja nicht so wichtig ... da denkt man einfach an Friedrich Torberg´s Tante Jolesch und das, was sie über Männer gesagt hat: "Was ein Mann schöner ist als ein Aff, ist ein Luxus." So ähnlich auch hier. Trotzdem: Juden.de ist die Anlaufstelle für Matchmaking schlechthin. Und deshalb so erfolgreich. Seriöser dagegen:

Hagalil

Das Portal zu Judentum in Deutschland. Etwas steif, alles möglich durcheinander, Liberale neben Ultraorthodoxen, dazu Nachrichten und Kommentare, Thora neben den üblichen Sticheleien. Weil wir grad bei Sticheleien sind:

Die jüdische Allgmeine

herausgegeben vom Zentralrat der Juden in Deutschland, hat eine schnieke Website, aber irgenwie nicht so richtig Ahnung, wie man die aktualisiert. Im Ergebnis ist die Website ziemlich verstaubt, und die Inhalte nicht netzgerecht geschrieben. Die Veranstaltungshinweise sind alles andere als umfassend. Aber dazu gibt´s hier bald mehr, zumindest für den Grossraum München.

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Jubel No. 1: Peter Basch Stars!
oder
Eva´s Kostüm und Adam´s Kamera

Sie sind irgendwie horizontal, auch wenn sie stehen oder sitzen. Sie sind immer sexy, auf eine distanzierte Art, keine vulgären Sexbomben, sondern, wenn das Wort erlaubt ist, Sexgöttinnen. Keiner anderer Fotograf der 50er und 60er Jahre konnte so präzise wie Peter Basch den Moment einfangen, in dem Sinnlichkeit in Sex umschlägt.

Die meisten Bilder von Filmdiven, Sängerinnen und Prominenten sind eiskalt in ihrer Wirkung berechnet, man fühlt das Zusammenspiel von Claudia Cardinale und Peter Basch, wenn sie mit zerrissenem Dekolletee in seine Kamera lächelt, wohl wissend, was sie damit anrichtet. Bis heute, denn Peter Baschs Bilder sind zeitlos. Selbst in den schreiend bunten Kolorbildern der Sixties setzt sich die Schönheit durch. Kleidung ist ohnehin nur störend, Jane Fonda, Sophia Loren, Diana Ross, man sieht ihnen an, dass sie eigentlich nackt sein müssten.

Peter Basch hat sie alle abgelichtet. Wer von ihm in Hollywood photographiert wurde, wusste, dass die Karriere erfolgreich war. Die Bilder erzählen von der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen Star und Photograf, von einer intimen Beziehung, die immer noch knistert, wenn man die Seiten des opulenten Bildbands mit den 500 besten Photos aufschlägt.

Die Karriere war Peter Basch quasi in die Wiege gelegt. 1923 wurde er in Berlin als Sohn eines UFA-Regisseurs geboren. 1933 floh die Familie nach Amerika, und Basch landete bald in der US Army - ausgerechnet beim Film Corps in Hollywood. Nach dem Krieg eröffnete er ein Photostudio, und die Stars rissen sich um ihn. Aber auch andere Kundschaft wartete: Basch belieferte die grossen amerikanischen Magazine, und später auch die Bunte, Quick oder den Stern.

Er brachte amerikanische Männerträume nach Europa - und europäische Phantasien nach Amerika: Eine unbekannte junge blonde Französin namens Brigit Bardot wurde in den USA über Nacht zum Sexsymbol dank einer Photoserie, die auch heute noch eines der Highlights des opulenten Bildbands ist. Es ist Filmgeschichte, eine glückliche jüdische Geschichte des letzten Jahrhunderts, es erzählt natürlich auch viel über das Frauenbild - aber vor allem ist es die Geschichte zwischen einer schönen Frau vor und einem genialen Mann hinter der Kamera. Wenn man ehrlich ist, einfach verdammt guter Sex.

5 von 5 gierigen Hechelhechel

Peter Basch: Stars! Fotografien aus den Fünfziger und Sechziger Jahren, Schwarzkopf-Schwarzkopf Verlag, ca. 400 Seiten, 49,90 EUR

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Verriss No. 1: Marek Halter, Geheimnisse von Jerusalem
oder:
Interreligiöse Pfilozofie für Anfenger

Eigentlich gehört Marek Halter nicht zu den Autoren, die man zwangsläufig ins Deutsche übersetzen würde. Es gibt im deutschen Buchmarkt zwar einen enormen Bedarf an jüdischen Literaten. Jeder Verlag, der was auf sich hält, hat zumindest einen Israeli oder einen typischen New Yorker Juden, aber Marek Halter?

Natürlich gab es ein paar Anläufe, den französischen Autor zu importieren, sei es nun mit seinem historischen Roman "Der Messias", oder auf dem Höhepunkt des Interesses an der Shoa mit: "Auf der Suche nach den 36 Gerechten. Gespräche mit den wahren Helden unseres Jahrhunderts." Ein üppiges Buch voller Interviews mit Menschen, die nicht abseits gestanden hatten. Ein weiteres Buch zum Thema, das in seiner wohltemperierten Ausgeglichenheit nicht nur Zustimmung fand und bald darauf im modernen Antiquariat verschwand.

Dass Marek Halter nun doch wieder mit einem Buch präsent ist, dürfte viel mit der Lage im Nahen Osten zu tun haben. Vor vier Jahren in Frankreich veröffentlicht, nimmt der Roman "Die Geheimnisse von Jerusalem" den jetzigen Konflikt in vielen Details vorweg. Ein Buch, punktgenau auf dem Markt platziert. Wenn da nicht ein gewisses Problem wäre, ein deja vu...

Denn bei den Geheimnissen von Jerusalem hat sich Halter eines Themas gewidmet, das wir schon mal hatten: Den Tempelschatz, und der Jagd nach demselben. Indiana Jones hiess der Film, der war witzig, brilliant, und trotz aller Klischees der bösen Nazis, der verschlagenen Araber und der heldenhaften Amis ein Kultfilm.

Und nun geht die Hatz nochmal los. Marek Halter schickt einen Reporter von New York über Paris nach Jerusalem. Der Plan zum Schatz ist eine moderne Diskette, aber spätestens in Jerusalem taucht dann das übliche, sattsam bekannte Personal des üblichen Agentenkrimis auf: Archäologen, Forscher, Spione, und Schurken ohne Ende.

Pittoresk geben sie die Staffage, die man im Orient erwarten kann, als da wären die Hamas, die Irakis und natürlich auch die russische Mafia. Hin und wieder torkelt ein schmerbäuchiger Mossad-Agent durchs Bild, und die knallharte Agentin gibt es auch, quasi die jüdische Ausgabe von Lara Croft. Durch den Nahostkonflikt hat man die Aktualität, durch die Sache mit dem Tempelschatz wird´s gehörig jüdisch philosophisch.

Die anderen Weltreligionen kriegen natürlich trotzdem ihr lauschiges Plätzchen in der Stadt, die angeblich allen heilig ist. Man kann nur hoffen, dass Halter bei Christentum und Islam nicht ebenso verantwortungslos seine Klischees geplündert hat wie beim Judentum. Falls die im Buch beschriebene Leicht & Seichtversion tatsächlich mehr sein sollte als eine Anbiederung ans Publikum, wäre das ausgesprochen traurig.

Man fragt sich allenthalben, warum Halter seine Figuren nicht einfach suchen, einander jagen, töten und Sex haben lässt, wie das nun mal in Krimis sein soll. Alles andere, besonders der pseudophilosophische Kitsch, stört nur. Ansonsten sind Die Geheimnisse von Jerusalem ein wenig gelungener Krimi.

4 von 5 trockenen Chuzpe-Hustern

Marek Halter: Die Geheimnisse von Jerusalem, aus dem Französischen von Iris Roebling. Verlag Rütten & Loening, , 485 S., EUR 23, 20

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You gotta fight
for your right to party, brüllten die Beasty Boys hinaus in die Nacht über Brooklyn. Und wir hörten es. Wir fanden das lässig. Wir waren nicht ganz so cool wie Adam Yauch, aber feiern wollten wir auch. Wir, das waren ein paar Typen aus München, für die Judentum noch andere Dimensionen als die hatten, die man normalerweise mit Judentum verbindet.

Also machten wir eine Radioshow. Namens Chuzpe. Das Wort ist jiddisch und steht für masslose Unverschämtheit. Chuzpe ist, wenn man Paps und Mama durch den Fleischwolf orgelt und nachher bei Gericht um mildernde Umstände bittet, weil man Vollwaise ist und Hunger hatte. So heftig sollte sie werden, die Radioshow.

Mit der wohlwollenden Unterstützung der IKG München und Oberbayern krachte es ab 1998 einmal im Monat bei M94,5 im Äther über München. Und das Wohlwollen haben wir auch oft kräftig strapaziert. Also, da gibt es so ein paar Stories... *hüstel* ... das mit dem Möllewelle mit seinen 18% Antisemitanteil, oder die unglückliche Bergtour von Haider sendet man einfach mal so, weil man das ganz gut fand, in der Nacht davor ... und dann läuft es und man denkt, oops, schon etwas gewalttätig, ähem, oder auch was wir den Mormonen angedroht haben, und dem Oberkirchenrat ... nein, dafür kriegen wir sicher nicht den Preis für interreligiöse Versöhnung, nein nein...

Auf der anderen Seite hat Chuzpe 2 mal Medienpreise abgestaubt. Und vielen Leuten ein *etwas* anderes Bild vom Judentum vermittelt. Ein wenig vergeistigtes, ziemlich selbstironisches und knüppelhartes Bild. Eines, in dem Sex und Gewalt natürlich auch vorkommt. Wie überhaupt alles, was zum Judentum gehört, bishin zum banalen Tratsch. Was dem einen sein Bohlen, ist uns der Bronfman. Ein Judentum, bei dem einem schon mal - Zitat - die Frühstückseier aus dem Mund fallen.

Ziel erreicht ;-)

Und jetzt auch als Blog. Um unseren Oberen etwas zu zeigen, die noch nicht wissen, was so ein Blog ist. Wir haben erst mal die Kommentare nicht blockiert. Yeah. But we got the admin power and we´re going to use it.

Ausserdem: Für blöde Sprüche gibt´s später mal verflucht schlechtes Karma, sagt die Bibel.

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