Montag, 31. Januar 2005

Der erstaunliche Herr F.
Der erstaunliche Herr F. war gestern Abend bei einer Lesung im Roten Salon Thema - was er gern ist. Dass er nur am Rande das Thema war, quasi als Sidekick für eine andere Person, dürfte ihm dagegen weniger gefallen haben. Man tut ihm nicht unrecht, wenn man ihm eine gewisse Neigung zum Scheinwerferlicht nachsagt, und da war er eben nur sehr partiell. Allerdings sorgte er in dieser kleinen Nebenrolle für einen grossen Heiterkeits erfolg. Das Besondere: Während andere erst mal für ein Lachen durch den Kakao gezogen werden mussten, genügte bei ihm allein die Namensnennung. Wie bei einem Pausenclown. Und die Konkurrenz bestand aus - meines Erachtens - Berliner Republiksknallchargen wie Christiansen, Müntefehring, Eichel und Merkel, um nur einige herausragende Beispiele zu nennen.



F., oder besser Michel Friedman also gelingt es, für Erheiterung zu sorgen. Ohne ein einziges böses Wort über Prostitution und bewusstseinserweiternde Mittel. Einfach nur so. Die weiteren Dinge kamen dann ein paar Sätze später, und steigerten die Erheiterung zum Höhepunkt des bisdahin schon fortgeschrittenen, nicht gerade von Traurigkeit bestimmten Abend.

Natürlich drängelt sich Friedman heute wieder auf alle Kanäle. Und keine Journaille fragt gross, was die Leser davon halten, denn immerhin redet der Mann, wenn man ihn fragt oder auch nur den Anschein erweckt, eventuell fragen zu wollen. Das ist bei Vertretern des offiziellen Judentums sehr selten, zumal die dann auch noch sehr genau überlegen, was sie sagen. Ein wunderbares Beispiel dieser Gattung ist eine wirklich grandiose Dame in München, die erstens sagt, sie könne das mit dem Interview gar nicht, es sei ihr eine Qual, und 2., wenn man ihr dann gegenübersitzt, nach dem Mikrophon greift, es einem ratzfatz aus der Hand zerrt und dann loslegt - aber kein Wort mehr als nötig. Friedman ist da anders.

Aber was halten die Leser davon? Wenn das gestern relevant war: Wenig bis gar nichts. Gäbe es solche Reaktionen bei Paul Spiegel, Charlotte Knobloch oder Salomon Korn, den Präsidenten und seinen Vize im Zentralrat? Nein, wohl kaum. An denen ist Äusserlich auch nichts zu lachen, auch wenn alle drei, zumindest nach meiner Erfahrung, im normalen Gespräch sehr lustige Menschen sind. Aber Friedman, früher der Inbegriff der bierernsten, moralischen Debatte, bringt heute die Leute zum lachen. Einfach so, durch seine Erwähnung.

Vielleicht darf er auch mal wieder in die ARD. Obwohl, mit 48 Jahren und dem Rückschlag wird es eng. Kann aber dank dem obskuren Christiansen-Netzwerk schon mal passieren. Aber meine Lebenserfahrung sagt mir, dass dieser erstaunliche Herr F. mit seiner allglatten Fassade dennoch die Lacher bekommt, und kaum Sympathie. Und damit am Ende eines Weges ist, aus dem es kein Zurück mehr gibt. Es ist gut, wenn man über Leute lachen kann, aber nicht so, wie gestern abend gelacht wurde. Das war das Lachen, das sonst vielleicht noch die D-Klasse-Promis in der Burg bekommen.

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Aber es geht noch schlimmer!
Hatte die Ehre am Wochenende die Wiederholung der schrecklichen Maischberger-Sendung zu erleben. Leider die Nennung des Themas verpasst. Gäste waren u.a. unsere Freunde Ilja Richter eine furchterregende Konvertitin und Danny Levi. Bei soviel Gejiddel und fadenscheiniger Gläubigkeit "Und dann kam dieser Rabbi auf mich zu und schaute mir in die Augen und fragte 'sind Sie Jüdin?'..." kann einem nur Angst und Bange werden. Nicht um steigende antisemitische Tendenzen, sondern um die Frage, wer denn jetzt plötzlich alles Jude ist. Wenn diese Menschen es sind, bin ich es ein bisschen weniger gerne. Bei der Frage "Herr Levi, haben Sie Angst vor dem steigenden Antisemitismus?" will man den Mann nur anbrüllen und selbst zum Antisemiten werden.
Gibt es antisemitische Juden?

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Ja. Es gibt bekanntlich nichts, wo Juden nicht die Weltherrschaft anstreben, auch beim Antisemitismus.

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Ich bin
Ich bin Jude (wenn auch nicht im religösen Sinn, sondern lediglich von der Abstammung her; nicht nur mütterlicher-, sondern auch väterlicherseits. Lange Zeit hatte ich das für mich behalten. Doch als ich es eines Tages und über einen langen Briefwechsel hin - es ist etwa fünf Jahre her – einer in Frankreich lebenden Sephardin gegenüber kundtat, meinte diese: Wer ist eigentlich nicht Jude innerhalb der Bundesrepublik Deutschland?!

Seit dieser Zeit bin ich, vorsichtshalber, nur noch glaubhaft - historisch? - Jude. Das ist ein, nicht nur für mich, sehr interessanter Aspekt.

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wenn ich das hier lese, bekomme ich den Eindruck, jüdisch zu sein ist eher eine Form von Gruppenzugehörigkeit, denn ein Oberbegriff für eine religiöse Gemeinschaft. Und ganz schlimm: Manche "Mitglieder" sieht man nicht so gern, man scheint elitär bleiben zu wollen und ist auch geneigt die eigene Abstammung (oder "Rasse"?) gegen "Eindringlinge" ins Feld zu ziehen um sie los zu werden. Habe ich da jetzt ein falsches Bild gewonnen?

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Meinen Sie nicht, wir können getrost den Juden überlassen, wie sie Judentum und Jüdischsein definieren, Clan Goetz?

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Aber sicher, Madame Kaltmamsell. Sollen sie, keine Frage. Wenn aber mir jemand sagt, er sei Christ (aber nicht im christlichen Sinn), dann frage ich mich was er denn nun ist? Ich guck mal in den Duden, und der murmelt was von:

Ju|den|tum, das; -s: 1. Gesamtheit der Juden in ihrer religions- u. volksmä?ßigen Zusammengeh?örigkeit; das j?üdische Volk.
© Duden - Deutsches Universalwö?rterbuch. 4. Aufl. Mannheim 2001. [CD-ROM].

Und jetzt das. Juden grenzen Juden aus und sehen ihr -tum nicht im relogiösen Sinn. Uceda nannte sich einen Agnostischen Juden (oder so ähnlich), jeanpaul ist eher historisch. Wie, bitte sehr, haben die Juden den nun ihr Judentum und Jüdischsein definiert, Madame? Im übrigen verstehe ich Ihre Frage nicht :-)

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Jude sein
Es gibt eine, wie ich meine, schlüssige - ja, eine historische! - «Definition» eines Judentums ohne Religion (wobei der Fond selbstverständlich immer einer des Glaubens bleiben wird): Hätte man die Juden nicht über die Jahrhunderte hin überall verfolgt, gejagt und ermordet, wäre der Wunsch nach einer Heimat nicht so ausgeprägt gewesen, sondern sie wären in Frieden in den Gegenden geblieben, wo sie geboren und aufgewachsen sind. Man denke nur an die deutschen Juden, die freiwillig fürs Vaterland in den ersten Weltkrieg gezogen sind (und auch in den zweiten gegangen wären, hätte man ihnen nicht eine andere Art Uniform übergestülpt).

Und es waren ja beileibe nicht nur die Hitler-Schergen, die's getan haben - man denke, als EIN Beispiel, an den erzenen Katholiken Vicente Ferrer und seine Vasallen, die die Sephharden aus Spanien rausgejagt und in die ganze Welt zerstreut haben.

Der Begriff Heimat impliziert eben nicht für alle Juden das Land Israel. Viele Juden aus aller Welt sind nach Israel ausgewandert, ohne daß eine tiefe Gläubigkeit sie dazu bewegt hätte; sie wollten einfach mal nicht mehr diskriminiert oder gar verfolgt werden. Doch auch die anderen Juden, die in ihren Ländern geblieben sind, sehnen sich, in welcher Form auch immer, nach «Heimat». Und die könnte heißen: ein Judentum ohne Religion - also schlicht: Zugehörigkeit. Vergleichen ließe sich das, vorsichtig ausgedrückt, in etwa mit den Sinti und Roma.

Und was ist denn an der Äußerung «Agnostischer Jude» so falsch?! Nehmen wir doch den (etwas ausführlicheren) Herrn Brockhaus zuhilfe:

Agnostizismus [zu griechisch ágnostos «nicht erkennbar»] der, philosophische Richtung, die das Übersinnliche, insbesondere das Göttliche, für unerkennbar hält, jedoch nicht unbedingt dessen Existenz leugnet. Erkennbar sei lediglich Innerweltliches. Das Transzendente lasse sich höchstens erahnen, fühlen, glauben.

Das wäre in etwa der Fond, von dem ich oben geschrieben habe und der eine Sehnsucht nach Zugehörigkeit definieren könnte.

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Dann hatte ich wohl richtig getippt mit der "Gruppenzugehörigkeit". Danke für die ausführliche Antwort.

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