Freitag, 7. Mai 2004

Shabbat Shalom, diesmal wirklich,
denn für heute ist es genug. Ich war Einkaufen - ich habe noch einen Perserteppich als Andenken besorgt. Dabei bin ich quer durch Kreuzberg, und beim 7. Trödler, einem alten Mann, habe ich dann auch ein potenzielles Objekt im hinteren Raum entdeckt. Noch nicht mal teuer, aber leider schon fleckig. Als ich noch rumüberlegte, ob der Teppich mit 3 mal 4 Meter nicht zu gross ist, fiel mein Blick auf die Wand. Der Sohn des Verkäufers betätigt sich offensichtlich als Künstler, alles war voll mit Ölfarbenirgendwas zwischen Abstrakt und Naiv.

Die letztere Kategorie wurde von einem Gemälde repräsentiert, in dem erkennbar ein Israeli mit Pistole in der Hand auf einen Typen mit Palästinaflagge losgeht, dessen Kopf stark blutet. Das Bild ist eindeutig von einem Pressephoto abgeleitet, das in den ersten Tagen der neuen Intifada als Beispiel für die Brutalität der Israelis um die Welt ging, bis sich dann herausstellte, dass der angegriffene "Palästinenser" ein Israeli war, der von einem Mob gejagt wurde - und der Soldat versuchte, ihn vor dem Lynchen zu bewahren.

Aber was ist schon die Realität gegen die Macht der Bilder? Nichts. Vielleicht ist es dieses eine Bild, das der Künstler verkaufen wird, und das wird dann oft nachgemalt und hängt dann da in den Wohnzimmern arabischer Familien, wo bei meinen Eltern der Posse hing, oder bei mir die Bilder von Loustal.

Ach so, der Teppich. Wohl doch zu gross. Und selbst wenn er gepasst hätte, und ich allerlei Bedenken beiseite geschoben hätte: Bei Trödler No. 9 kam dann der Teppich, den ich mir vorgestellt hatte: 2,20 mal 3,50, persisches Gartenmotiv, sehr hell. Spottbillig. Genommen.

Der Händler erzählte mir, dass niemand mehr Teppiche will. Die Leute wollen, sagte er, Auslegware, von Kante zu Kante. Keine Fransen, keine Motive. Schade, eigentlich. Ich bin mit Teppichen gross geworden. Die waren damals, vor 25 Jahren schon sehr teuer, aber sie sind heute noch schön.

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Gerettet
Gleich, als ich die Wohnung betreten hatte, wusste ich: Die nehm ich. Es ist nur eine Mietwohnung; abgesehen von einem kurzen Fehlstudium in Würzburg und in manchen Urlauben hatte ich immer eine eigene Wohnung, etwas, das ich nicht monatlich bezahlen musste. Mieten lohnt sich einfach nicht.

Hier in Berlin ist es etwas anderes: Es ist nie sicher, wie lange es noch weiter geht, es kann von einen auf den anderen Tag vorbei sein, und es wird höchstens noch 5 Monate dauern, aber auch das ist eher unwahrscheinlich. So sind nun mal die Fakten, und da kann man sich nicht mal eben eine Wohnung kaufen.

Was ich an dieser Wohnung mag, ist, dass sie seit ihrer Entstehung im Jahr 1928 kaum verändert wurde. Der jüdische Architekt wollte aus dem Geist des Bauhaus heraus etwas Gediegenes schaffen; schlichte Formen, die zeitlos sind und unbegrenzt halten.



Nächsten Sommer, heisst es, soll dieser Teil der Anlage restauriert werden. In den anderen Abschnitten der Anlage war es ein Gemetzel; vieles war heruntergekommen und wurde einfach rausgerissen, und endete im Container.

Jedesmal, wenn ich eine der Türen öffnete, schwang etwas Bedauern mit, dass das alles hier nächsten Jahr auf dem Müll landet; und schlimmer noch, nachdem in Berlin nur das Verschnörkelkte, Historistische wieder an die Türen geklatscht wird, die alten Bauhaus-Türgriffe wohl in der Schmelze enden würden.

Gestern traf ich dann die Chefin der Anlagenverwaltung und sagte ihr, wie schade es darum ist, wie wunderbar sich das alte Messing anfühlt, und wie hässlich dagegen die neuen, glatten, geschichtslosen Türen sind. Bei der Gelegenheit erfuhr ich, dass ich wohl die besterhaltenste Wohnung der Anlage habe - und, weil die Türen und Böden in gutem Zustand sind, in meiner Wohnung der Originalzustand erhalten wird.

This made my day.

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