Dienstag, 8. Februar 2005

Wolf Biermann
ist gar nicht so doof. Wie lange hat er eigentlich als bundesdeutsches Vorzeigeopfer der DDR gedient? Lange, sehr lange. Immer zornig, der aufrechte Kämpfer, unbeugsam, dafür nahm man seine Eitelkeiten gern hin, und auch für seine Vermutung, dass er etwas anderes sei als ein veralteter Klampfenbarde, nämlich ein "Dichter", hatte man Verständnis. Denn Biermann lieferte genau das, was diese Republik brauchte.

Dann kam der Wandel. Das DDR-Unrecht war nicht mehr so wichtig, Versöhnung war angesagt, vielen DDRlern war das Ganze jetzt peinlich, weil ja auch Onkel Willy IM war, wie so mancher Politiker der neuen ostdeutschen Demokraten jeglicher Coleur, also verschwand das Thema aus den Schlagzeilen. Und gleichzeitig übernahm die Shoa die Rolle als führender deutscher Gedenkanlass.



Das muss Biermann begriffen haben. Schon früh. Und damit setzte die Wandlung vom Ex-Ossi-Opfer zum grossen Player auf dem Markt der Gedenkkultur ein. Ein Interview nach dem anderen die jüdische Karte gespielt, den bis dahin kaum beachteten Vater ins Spiel gebracht, jiddische Gedichte "übersetzt", andere sagen verhunzt, und nun ist er im Bundestag an der Stelle angekommen, an der man vielleicht ohne einen gewissen Skandal Herrn Friedman hätte erwarten können.

Bin ich eigentlich der erste, dem die Parallelen der Mahner Friedman und Biermann auffallen? Die grosse Geste, die tiefere Bedeutung, der ergreifende Tonfall, das "In eine Tradition"-Stellen, das ich so von den Überlebenden absolut nicht kenne, das wohl ein Spezifikum mancher öffentlicher Vertreter der 2. Generation ist? Ich und viele meiner jüdischen Freunde haben ziemlich Angst davor, sich in diese Linie einzuordnen; wir sind Angehörige einer Luxusrandgruppe in einem stabilen Land, und es ist undenkbar, das, was es an schlimmen Geschichten in den Familien gibt, zu nehmen und in einer Form nach draussen zu tragen, die diejenigen, denen das Recht zusteht, nie getan haben. Gallinski war ziemlich hart, Bubis war sehr joval, und Spiegel und Knobloch, die auch noch zu dieser Generation gehören, scheinen sehr genau zu überlegen, was und wann sie sagen.

Das könnte bald vergebene Liebesmüh sein, wenn noch mehr Typen wie Biermann auftauchen, die das zu ihrem persönlichen Marketing nutzen. Die vielbeschworene Verantwortung im Umgang mit der Geschichte wird durch solche Gags ad absurdum geführt, wenn man sie den Biermännern überlässt. Natürlich gieren die Medien nach einem Vorzeigeopfer, an dem man alle Gefühle festmachen kann. Aber genau das ist der falsche Weg, denn irgendwann, eher bald denn später, wird das zu einer Übertreibung, einer Übersteigerung am falschen Objekt führen, und wenn das Gedenken erst mal zum Gag wurde, um Platten, Bücher oder die eigene Personality zu verkaufen - dann ist das nichts mehr wert. Und man wird und nicht zu Unrecht fragen: Warum soll man sich erinnern, wenn es doch nur denen dient, die sich ins Scheinwerferlicht drängeln?

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