Sonntag, 18. Juli 2004

Nachtflug
Zuerst ist es leer auf der Autobahn, bei Ingolstadt ist alles dicht. Ich presche erst danach auf das Betonband Richtung Nordosten. Es ist 10 Uhr, und immer noch etwas hell, der Himmel ist tiefblau und schimmert wie eines dieser Kleider, das meine Liebste früher gerne trug.

Du aber gehst mit weichen Schritten in die Nacht,
Die voll purpurner Trauben hängt
Und du regst die Arme schöner im Blau.


heisst es bei Trakl.



Dann fällt alles ins Schwarz der Nacht, ein gnädiger Schatten deckt die Ödnis zu, die sich von Hof an hinunter in die Ebenen erstreckt, mit Namen wie Bitterfeld und Vockerode. Es wird spät, mit Pausen sehr spät, bis ich im ersten wolkengedämpften Licht das grosse Slumgebiet an der Spree erreiche, und so fast ohne Schlaf falle ich durch den Tag, bis ich jemand treffe, auf die ich mich schon lang gefreut habe. Und weil Shabbat ist, und weil es passt, und weil sich in dieser Nacht wieder so viele zu Tode gebrettert haben, und ich wie bisher immer in meinem Leben unbeschadet durchkam, egal wo und wie, sage

Ich muss nicht erschrecken vor dem Grauen der Nacht
und vor den Pfeilen, die am Tag fliegen,
vor der Pest, die durch das Dunkel schleicht,
vor der Seuche, die am Mittag Verderben bringt.

Wenn auch tausende fallen zu meiner Linken
und zehntausende zu meiner Rechten Seite
es wird es mich nicht treffen.

Und sie auch nicht, denn sie ist ein Glückskind.

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Ja, du wirst es mit eigenen Augen sehen, und schauen,
wie denen die dem Ewigen nicht gehorchen vergolten wird.

Diese Zuversicht - vielleicht bin ich etwas zu spät geboren, um es nicht anders zu kennen. Und doch - man kann sein Leben nicht nur watteverpackt leben.

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