Sonntag, 25. Juli 2004

Meine lieben schwul-lesbischen Freunde,
ein paar Worte.

Ich und diese Sendung, wir verdanken Euch viel. Hätte ich ganz zu Beginn meiner journalistischen Betätigung nicht mal als Nachrichtensprecher bei einem schwulen Format einspringen müssen, weil der normale Sprecher sich immer mit einem "Shabbat shalom" verabschiedete, und die Crew meinte, ob ich deshalb das nicht machen könnte - hätte es diesen Zufall nicht gegeben, wäre dieses Format hier vielleicht nie entstanden. Denn von da an wurde ich ein begeisterter Hörer Eurer Sendung, und die Open-Mindness, der lockere Umgang mit dem nicht-Mehrheit-sein, der Charme und der Witz und der Stolz der Randgruppe war genau das, was mir am Judentum immer gefehlt hat.

Ich habe mir ein Judentum gewünscht, in dessen Sendungen blöde Witze gerissen werden können, das unernst sein darf und einfach nur eine gute Stunde mit guter Laune für gute Zuhörer ist. Ich wollte eine Sendung für alle, so wie es Euch gelungen ist, eine Randgruppe zu werden, die auch für Heteros interessant ist. Um das zu erreichen, habe ich Euer Konzept mitsamt Comedy udn knalligen Jingles schamlos kopiert, und als dann unsere Oberen meinten, naja, schon etwas Revoluzzer-Radio, aber auch witzig, da habe ich ganz offen gesagt: It ain´t jewish, it´s gay. Aber auch das war für unsere Oberen in Ordnung; es gab ja auch Schlimmeres in unserer sendung- Androhung einer Beschneidung mit der Kettensäge zum Beispiel.

Auch sowas wie den CSD hätte ich gern auf jüdisch gesehen. ich dachte mir, von Euch kann man was lernen. 1945 haben uns die Siegermächte in Deutschland und danach die heuchlerische Bundesrepublik zu einer, böse gesagt, Luxusrandgruppe gemacht, und ihr, die ihr oft auch im KZ wart, mit dem Rosa Winkel, Euch haben sie weiterhin verfolgt und ausgegrenzt. Ihr habt es trotzdem geschafft. Das ist etwas, wovon man als Randgruppe, egal wie luxuriös, lernen muss. Ihr wart Ende der 90er verdammt cool, und Judentum war, und ist bis heute, über weite Strecken wahnsinnig uncool. Ich war, offen gesagt: Neidisch.

Bis letzte Woche. Die Hamburger Ulla war noch ein Ausrutscher, ich mein, ich sah auch schon strange Typen beim Wettbügeln auf dem Hans-Sachs-Strassenfest, so ne schwarze Ulla kann´s da schon mal geben. Ich persönlich finde rosa 50cm-Frisuren immer noch besser, aber ich bin ja auch kein CDU-Wähler in Hamburg.

Aber jetzt das. Ananas-Gesicht Westerwelle Bild-tauglich nettestens geoutet UND ein gewisses Verständnis für Homosexualität bei Bischof Krenn.

Ich sag Euch was: Damit habt Ihr Euer Core Assets, Eure Kernkompetenzen verloren.

Das ist nämlich nicht mehr cool.

Und es ist keine Randgruppe mehr.

Ihr seid gerade dabei, Teil des Systems zu werden. NORMAL. Ihr habt plötzlich an Orten Mitglieder und Fürsprecher, wo ich eigentlich nur Kotzkrämpfe haben möchte. Wir haben zwar auch unsere seltsamen Heiligen, aber die gehen den anderen Weg: Von uns in ein system hinein, wo sie dann Mist bauen. Bei Euch kommen sie aus dem System, werden ein Teil von Euch, nehmen Euch quasi von hinten, und sorry, das narbige Gesicht von Westerwelle wird dann eben die Fratze der Homosexualität. Bald wird man nicht mehr schwul sein, sondern westerwellig. Und wenn der Stoiber seine Krachlederne auf dem CSUD zeigt, sagt man: Krennig.

Hey Leute. Ihr wart die Besten. Aber jetzt tut ihr mir Leid.

Euer

Ex-Aushilfsnachrichten-Jude

Uceda

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gibt doch bestimmt noch ein paar minderheiten, die nicht massentauglich sind und an die man sich ranschmeissen kann ... . Hm ... Kannibalen? Fußpilzkranke? Spd-Mitglieder?

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nette, smarte, coole Minderheiten? Nope.

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apple-user?

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Die haben vor lauter festplatte-wechseln und tastatur-reinigen doch gar keine Zeit für sowas.

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Eigentlich hätte ich ja die FDP für eine solche Minderheit gehalten. Kleiner Scherz ;-)

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