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Sonntag, 27. Februar 2005
Klezmorim, das Massel und das Silber
uceda, 19:46h
Es ist so: Ich persönlich bin kein besonders gläubiger Mensch, und schon gar nicht abergläubisch. Wenn ich höre, dass eine faltige Hüpfdohle wie Madonna plötzlich den Judenrappel kriegt und "Kabbala" macht, kriege ich nur das grosse Kotzen, und das hat höchst natürliche Ursachen. Wunderrabbiner, Pseudomessiase, Spiritioten und ähnliche krude Unterformen des real existierenden Judentums kriegen hier in diesem Blog schneller war vorn Latz, als sie den Namen G´ttes nicht aussprechen können.
Nun besagt so ein jüdischer Aberglaube, dass, wer zu bedürftigen Strassenmusikanten nett und freigiebig ist, sich im Leben schon vielen Massels - Glück - erfreuen kann. Daran glaube ich absolut sicher überhaupt nicht, denn ich bin durchaus freigiebig und gebe gern - aber Glück habe ich deshalb nicht. Nur Unglück. Allein diesen Winter: Klezmorim in der Strasse des 17. Juni, kurz darauf: Unfall, nicht meine Schuld, aber Generve ohne Ende. Klezmorim in Hamburg, kurz darauf: Jemand parkt mir die Frontscheinwerfer zu Bruch und haut ab. Klezmorim in der Bernauer Strasse: Ich lächle noch hold und fliege mit verdrehtem Fuss von der Eisplatte auf die Bodenplatte, natürlich hold lächelnde Fresse vorraus. Klezmorim in Pankow, vor dem Mieten eines LKWs: Das Getriebe streikt 70 Kilometer nach Berlin, 500 Kilometer vor dem Ziel München.
Eigentlich sollte ich Klezmorim aus dem Weg gehen, denn es ist meist noch nicht mal meine Musik. Irgendwie erwischen mich meist ältere Herren, die osteuropäische Weisen spielen; also genau das, was man hier als Klezmer bezeichnet. Das wiederum hat nun so absolut gar nichts mit dem Judentum zu tun, für das ich mit meinen Clans stehe. Es ist bekannt, mit was sich meine Urgrosseltern unter dem Kaiser delektierten: Heil Dir im Siegeskranz, An der schönen blauen Donau, Gebirgsschützenmarsch, bayerischer Defiliermarsch, manchmal sogar erbärmliche Schnulzen wie das Siegfried-Idyll. Klezmer wäre für diese Leute absolut undenkbar gewesen, aber das war etwas, das es damals im nördlichen Bayern und Franken schlichtweg nicht gab.
Es war eben die Zeit der Assimilation, und meine Clans waren da ganz vorne mit dabei. Nicht armes, eher wohlhabendes Bürgertum, dessen Lebensziel nicht wie bei den Berliner Polacken (so die liebevolle Bezeichnung der preussischen Hebräer durch den ordentlichen bayerischen Juden) die Schriftstellerei oder der Professorentitel war, sondern nur das arbeitslose Wohlleben als Hausbesitzer oder Privatier, was dann auch stolz auf den Grabsteinen vermerkt wurde. In dieser Zeit wurde dann auch die Familiengeschichte ordentlich aufgesext. Nach allem, was mir erzählt und steif und fest behauptet wird, sieht das Dasein meiner Clans in etwa so aus:
Sie waren reich, es gab immer genug zu Essen und besonders viel Fleisch, sie hatten das beste Geschirr der Stadt, verkehrten nur mit den Honoratioren, haben immer ihre Steuern gezahlt, waren die besten Staatsbürger, sie waren die besten Jäger und das alles eigentlich schon immer.
Nun sind da drei Punkte anzumerken: Das meiste mag unter dem Kaiser gestimmt haben; und tatsächlich war Viecher im Wald abknallen ein Hobby vieler Vorfahren; meine Oma hat heute noch eine stattliche Anzahl von unbrauchbaren, in Ölpapier eingelegten Schiessprügeln im Wandschrank. Aber, ganz grosses Aber: Es gab wohl auch Verwandtschaft, wie etwa die legendäre "Bezechte Kohlen-Monika", (zwingt mich bitte nicht, das auf Bayerisch zu sagen) deren Sexualverhalten die Sippschaft bis heute, über 100 Jahre später nicht gut heisst. Nicht alle also waren so wohlerzogene Honoratioren. Dann ist da das Problem, dass beide Teile der Sippschaft ihre Wurzeln eigentlich in Wien, im Elsass und in der Tschechei haben, und zwischenzeitlich nur bedingt in Orten lebten, in denen man einen hohen Lebensstandard erwarten würde. Und dann kommt noch ein Problem dazu: Aller Reichtum begründet sich im Kern auf vier Personen, die im 18. und 19. Jahrhundert einen grandiosen Aufstieg hingelegt haben - wo waren die bitteschön davor?
Zu diesen Punkten schweigt die mündliche Überlieferung schamhaft. Vermutlich, wenn es sie gäbe, würde sie sagen, dass die Familien hocherhobenen Hauptes wegzogen, lässig die flennenden Ortsadligen, die ihre Knie umfasst hatten, abschüttelten und mit grossem Gepäck zum nächsten gesellschaftlichen Höhepunkt eilten. Nun gibt es aber auch noch die Wissenschaft, und die hat über den tollsten Teil des Clans eine extrem untolle Vorgeschichte ausgegraben: Als die Familie Utitz aus dem heutigen Tschechien nach Franken, in die Region Bamberg einwanderte, waren es unsagbar arme Schlucker. Der Aufstieg kam nur ganz langsam, bis dann einer der Familie namens Johann Steuereintreiber wurde und sich dabei dumm und dämlich verdiente.
Davor - nun, die Vermutung legt nahe, dass die Leute alles gemacht haben, um zu überleben. Sie waren heimatlos, "Wirtschaftsflüchtlinge" würden CDUler heute sagen, sicher ziemlich arm und abgerissen. Besagter Johann erwies sich in seinem späteren Leben als extrem habgierig und ans psychopathische grenzend egoman; es kann gut sein, dass sein krankhaftes Streben seiner Erfahrungen als Kind von Menschen entspringt, die wir heute als Bettler oder, CDU-Slang "Asoziale" bezeichnen würden. Andere Teile der Familie stiegen langsam und solide auf; manche Wohltäter waren auch dabei, und es kann sein, dass ihre Erfahrungen in der Armut besser waren. Ich nun verdanke ihrem Streben viel, leite aber für mich selbst die Pflicht ab, die weniger glücklichen sozialen Nachfahren meiner Vorfahren nicht unbeachtet stehen zu lassen. Und wenn ich hundert Mal auf die Fresse fliege.
Heute nun, Flohmarkt Bernauer Strasse: Schon von weitem ist ein Duo zu hören, Trompete und Ziehharmonika, und die Weisen sind mir vertraut. Osten. Südosten. Bukowina vielleicht, Ungarn, sicher keine Litwaks, sondern, wie sich dann auch zeigte, typische kurzbeinige, kurzhalsige Männer mit dicken Lippen, so wie wir halt in meinem Clan auch aussehen, wenn man sich mal die Anzüge wegdenkt. Was a Mann schöner ist als a Aff, ist ein Luxus, oh ja... Gut, etwas Luxus gibt es schon, aber es ist nicht der Luxus eines Brad Pitts. Jedenfalls gebe ich, sage testweise "Seid gesund", kriege die richtige Antwort - dacht ich´s mir doch, die Stimme des Blutes - steige in mein Auto und fahre in der Gewissheit los, dass das Schicksal schon die Keule auspackt, und darauf stehen meine Initialen und das Wort Schlamassel...
Und was passiert? Nu, ich werd Euch sagen was passiert: Steh ich eine Stunde später auf dem Flohmarkt, fall nicht Fresse, baue keinen Unfall, laufe keinen Neonazis in die Arme - aber ich find 12 silberne Löffel, und a Sach naches ist, dass sie billig sein, mir machen nur die Mitte ohne Schachern, und sie sind praktisch für lau, a Mezie, und es sind 12 Stück, praktisch wie neu, ohne Macke, geputzt sind sie wunderbar - und sie sind nicht nur von die Gebrüder Friedländer, die wo waren die besten Juweliere von Berlin, sondern es ist auch noch mein Monogramm drauf. So, als ob sie für mich gemacht wären.
Jetzt muss ich mir nur noch eine Maisse erfinden für die kommenden Generationen, um zu erklären dass das die Löffel sind, die der Ururgrossvater mitgebracht hat aus Berlin zu des Kaisers Zeiten...
Nun besagt so ein jüdischer Aberglaube, dass, wer zu bedürftigen Strassenmusikanten nett und freigiebig ist, sich im Leben schon vielen Massels - Glück - erfreuen kann. Daran glaube ich absolut sicher überhaupt nicht, denn ich bin durchaus freigiebig und gebe gern - aber Glück habe ich deshalb nicht. Nur Unglück. Allein diesen Winter: Klezmorim in der Strasse des 17. Juni, kurz darauf: Unfall, nicht meine Schuld, aber Generve ohne Ende. Klezmorim in Hamburg, kurz darauf: Jemand parkt mir die Frontscheinwerfer zu Bruch und haut ab. Klezmorim in der Bernauer Strasse: Ich lächle noch hold und fliege mit verdrehtem Fuss von der Eisplatte auf die Bodenplatte, natürlich hold lächelnde Fresse vorraus. Klezmorim in Pankow, vor dem Mieten eines LKWs: Das Getriebe streikt 70 Kilometer nach Berlin, 500 Kilometer vor dem Ziel München.
Eigentlich sollte ich Klezmorim aus dem Weg gehen, denn es ist meist noch nicht mal meine Musik. Irgendwie erwischen mich meist ältere Herren, die osteuropäische Weisen spielen; also genau das, was man hier als Klezmer bezeichnet. Das wiederum hat nun so absolut gar nichts mit dem Judentum zu tun, für das ich mit meinen Clans stehe. Es ist bekannt, mit was sich meine Urgrosseltern unter dem Kaiser delektierten: Heil Dir im Siegeskranz, An der schönen blauen Donau, Gebirgsschützenmarsch, bayerischer Defiliermarsch, manchmal sogar erbärmliche Schnulzen wie das Siegfried-Idyll. Klezmer wäre für diese Leute absolut undenkbar gewesen, aber das war etwas, das es damals im nördlichen Bayern und Franken schlichtweg nicht gab.
Es war eben die Zeit der Assimilation, und meine Clans waren da ganz vorne mit dabei. Nicht armes, eher wohlhabendes Bürgertum, dessen Lebensziel nicht wie bei den Berliner Polacken (so die liebevolle Bezeichnung der preussischen Hebräer durch den ordentlichen bayerischen Juden) die Schriftstellerei oder der Professorentitel war, sondern nur das arbeitslose Wohlleben als Hausbesitzer oder Privatier, was dann auch stolz auf den Grabsteinen vermerkt wurde. In dieser Zeit wurde dann auch die Familiengeschichte ordentlich aufgesext. Nach allem, was mir erzählt und steif und fest behauptet wird, sieht das Dasein meiner Clans in etwa so aus:
Sie waren reich, es gab immer genug zu Essen und besonders viel Fleisch, sie hatten das beste Geschirr der Stadt, verkehrten nur mit den Honoratioren, haben immer ihre Steuern gezahlt, waren die besten Staatsbürger, sie waren die besten Jäger und das alles eigentlich schon immer.
Nun sind da drei Punkte anzumerken: Das meiste mag unter dem Kaiser gestimmt haben; und tatsächlich war Viecher im Wald abknallen ein Hobby vieler Vorfahren; meine Oma hat heute noch eine stattliche Anzahl von unbrauchbaren, in Ölpapier eingelegten Schiessprügeln im Wandschrank. Aber, ganz grosses Aber: Es gab wohl auch Verwandtschaft, wie etwa die legendäre "Bezechte Kohlen-Monika", (zwingt mich bitte nicht, das auf Bayerisch zu sagen) deren Sexualverhalten die Sippschaft bis heute, über 100 Jahre später nicht gut heisst. Nicht alle also waren so wohlerzogene Honoratioren. Dann ist da das Problem, dass beide Teile der Sippschaft ihre Wurzeln eigentlich in Wien, im Elsass und in der Tschechei haben, und zwischenzeitlich nur bedingt in Orten lebten, in denen man einen hohen Lebensstandard erwarten würde. Und dann kommt noch ein Problem dazu: Aller Reichtum begründet sich im Kern auf vier Personen, die im 18. und 19. Jahrhundert einen grandiosen Aufstieg hingelegt haben - wo waren die bitteschön davor?
Zu diesen Punkten schweigt die mündliche Überlieferung schamhaft. Vermutlich, wenn es sie gäbe, würde sie sagen, dass die Familien hocherhobenen Hauptes wegzogen, lässig die flennenden Ortsadligen, die ihre Knie umfasst hatten, abschüttelten und mit grossem Gepäck zum nächsten gesellschaftlichen Höhepunkt eilten. Nun gibt es aber auch noch die Wissenschaft, und die hat über den tollsten Teil des Clans eine extrem untolle Vorgeschichte ausgegraben: Als die Familie Utitz aus dem heutigen Tschechien nach Franken, in die Region Bamberg einwanderte, waren es unsagbar arme Schlucker. Der Aufstieg kam nur ganz langsam, bis dann einer der Familie namens Johann Steuereintreiber wurde und sich dabei dumm und dämlich verdiente.
Davor - nun, die Vermutung legt nahe, dass die Leute alles gemacht haben, um zu überleben. Sie waren heimatlos, "Wirtschaftsflüchtlinge" würden CDUler heute sagen, sicher ziemlich arm und abgerissen. Besagter Johann erwies sich in seinem späteren Leben als extrem habgierig und ans psychopathische grenzend egoman; es kann gut sein, dass sein krankhaftes Streben seiner Erfahrungen als Kind von Menschen entspringt, die wir heute als Bettler oder, CDU-Slang "Asoziale" bezeichnen würden. Andere Teile der Familie stiegen langsam und solide auf; manche Wohltäter waren auch dabei, und es kann sein, dass ihre Erfahrungen in der Armut besser waren. Ich nun verdanke ihrem Streben viel, leite aber für mich selbst die Pflicht ab, die weniger glücklichen sozialen Nachfahren meiner Vorfahren nicht unbeachtet stehen zu lassen. Und wenn ich hundert Mal auf die Fresse fliege.
Heute nun, Flohmarkt Bernauer Strasse: Schon von weitem ist ein Duo zu hören, Trompete und Ziehharmonika, und die Weisen sind mir vertraut. Osten. Südosten. Bukowina vielleicht, Ungarn, sicher keine Litwaks, sondern, wie sich dann auch zeigte, typische kurzbeinige, kurzhalsige Männer mit dicken Lippen, so wie wir halt in meinem Clan auch aussehen, wenn man sich mal die Anzüge wegdenkt. Was a Mann schöner ist als a Aff, ist ein Luxus, oh ja... Gut, etwas Luxus gibt es schon, aber es ist nicht der Luxus eines Brad Pitts. Jedenfalls gebe ich, sage testweise "Seid gesund", kriege die richtige Antwort - dacht ich´s mir doch, die Stimme des Blutes - steige in mein Auto und fahre in der Gewissheit los, dass das Schicksal schon die Keule auspackt, und darauf stehen meine Initialen und das Wort Schlamassel...
Und was passiert? Nu, ich werd Euch sagen was passiert: Steh ich eine Stunde später auf dem Flohmarkt, fall nicht Fresse, baue keinen Unfall, laufe keinen Neonazis in die Arme - aber ich find 12 silberne Löffel, und a Sach naches ist, dass sie billig sein, mir machen nur die Mitte ohne Schachern, und sie sind praktisch für lau, a Mezie, und es sind 12 Stück, praktisch wie neu, ohne Macke, geputzt sind sie wunderbar - und sie sind nicht nur von die Gebrüder Friedländer, die wo waren die besten Juweliere von Berlin, sondern es ist auch noch mein Monogramm drauf. So, als ob sie für mich gemacht wären.
Jetzt muss ich mir nur noch eine Maisse erfinden für die kommenden Generationen, um zu erklären dass das die Löffel sind, die der Ururgrossvater mitgebracht hat aus Berlin zu des Kaisers Zeiten...
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