Samstag, 11. September 2004

Damals
Davor war ich ein paar Tage im Nahen Osten, um mit einem anderen Leben abzuschliessen. Irgendwie gewöhnt man sich an die Gefahr und den Terror, man fährt eben nicht mit dem Bus, meidet die Kontrollstationen, wenn möglich, und treibt sich nicht am Busbahnhof in Tel Aviv herum. Ist zwar nur Risikoverminderung, aber es wird schon nichts passieren. Es blieb ruhig, mal abgesehen von den Messerstechereien und Schusswechseln, die in Deutschland nicht in die Medien kommen. August 2001 war vergleichsweise ruhig. Wenn man sich ans Meer setzte, den Hügeln Galiläas den Rücken zudrehte und den Wellen zuhörte, war es echt ok, vom Gefühl her. Good Vibes.

Dann zurück nach München. Erst dort begreift man, was das heisst, in Sicherheit leben. Man fragt sich, wie Deutschland wäre, wenn es hier auch nur 1% der Gewalt des Nahen Ostens gäbe. Wahrscheinlich eine rechte Diktatur, demokratisch gewählt und mit voller Unterstützung der Bevölkerung. Nichts mehr wäre zu hören von wegen "diese armen Menschen in den Flüchtlingslagern", das hierzulande dauernd perpetuiert wird, wenn so ein armer Mensch, nachdem ihn ein paar coole Jungs mit Sonnenbrillen und Pickup ausgewählt haben, ein Dutzend unschuldige Menschen ermordet. Auch kein Geschrei mehr, wenn man die coolen Jungs mit einer coolen Luft-Boden-Rakete tötet, bevor sie den nächsten Mörder losschicken. Das fänden sie dann ganz ok, aber so unschuldig naiv und ein bisschen blöd, wie dieses Deutschland nun mal ist, ist es mir unendlich viel lieber als das Monstrum, das Terror aus ihm machen würde.

Über dieses Thema sprachen wir am Abend zuvor. Und dann kam die News. Ich war damals noch nicht im New Yorker Büro meiner Zeitung gewesen, aber der Broadway ist lang, und die 2121 konnte sehr nahe sein, oder auch nicht. Ich hatte Glück und kam recht schnell durch. Alles ok, scheinbar. Natürlich alle Themen verworfen, an dem Tag wäre Deadline gewesen, statt dessen alles neu, dann brach die Leitung doch noch zusammen, aber soviel war klar: Alle am Leben, wir arbeiten weiter. Geht nicht anders. Kein schönes Thema, auch nicht in Deutschland, wo man beim Bäcker sagt, dass nur der Mossad sowas hinkriegt.

Wir hatten Glück. Eine Praktikantin war damals mit der U-Bahn unter dem WTC hindurchgefahren, 20 Minuten bevor das erste Flugzeug einschlug.

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