Mittwoch, 17. Dezember 2003
Luther eine buttern
uceda, 04:45h
Tschüss, Spiegel, aus der Reihe der seriösen Medien und willkommen in der Gosse, gleich neben Superillu und Guido-Knopp-Reportagen...
Luther - Abschied vom Mittelalters, steht auf dem Cover, und drin wird so getan, als könnte man den Zeitenwechsel an dem Augustinermönch festmachen. Historiker, die nicht im Sold der Evangelen stehen oder sonstwie ideologisch vorbelastet sind, kriegen bei solchem Schwachsinn das kalte Kotzen, allein schon wegen der Begriffsverwirrung. Unabhängig von der schludrigen Verwendung des Begriffs Medii Aevi wird das Thema plattgehauen, als gings nochmal um das Schmieden der Nägel für Kirchtürerlässe.
Besonders wiederwärtig sind 2 Dinge: Die Reduktion einer grossen Bewegung und des Vordenkers Melanchthon zugunsten eines antisemitischen Pfäffleins, der durch die Jahrhunderte seine Popularität seiner Gossenschriften verdankte, und eben nicht einer sauberen, intellektuell radikalen Argumentation wie Melanchthon. Luther ist zu Melanchthon das, was Jörg Haider zu Heiner Geissler ist.
Zum anderen die Schilderung des Mittelalters: Das, was heute allgemein mit finsterem Mittelalter verbunden wird - Folter, Hexenverbrennung, Elend in den Dörfern, Seuchen, Hungersnöte - ist eher Neuzeit denn Mittelalter. Das Mittelalter war ab den Saliern des 11. Jahrhunderts eine ökonomische und philosophische Boomphase, der selbst die Pest nicht allzu viel anhaben konnte.
An den spät einsetzendenden Klimaveränderungen der sog. kleinen Eiszeit ist Luther nicht schuld, aber mit ihm und seinem Schweizer Kollegen Zwingli haben sich in der Reformation zwei Typen als Hauptfiguren durchgesetzt, die der Bewegung eine tragische Richtung gaben: Eine bigotte, dumpf-reaktionäre und negative Auffassung von Mensch und Staat, die sich im Kern auf das De Civitate Dei von Augustinus aus dem 5. Jahrhundert berief - und das ist nun wiederum eine Ideologie, die hierzulande verfassungsfeindlich wäre und schon im Mittelalter weitgehend überwunden wurde.
Anders gesagt: Luther war der Knilch, der ein gutes Jahrtausend Diskussionen und philosophische Konzepte wegkippte und zurückging in das 5. Jahrhundert. Gehen Sie direkt zur Katastrophe. Gehen Sie nicht über kluge Köpfe wie Marsilius von Padua oder Agricola Pelagianus, ziehen sie keine philosophische Erkenntnis ein.
Machen Sie einfach alle Fehler nochmal, es spielt keine Rolle, nach nur 500 Jahren kommen wieder so ein paar Schreiberlinge und stellen sie in ein gutes Licht.
Luther - Abschied vom Mittelalters, steht auf dem Cover, und drin wird so getan, als könnte man den Zeitenwechsel an dem Augustinermönch festmachen. Historiker, die nicht im Sold der Evangelen stehen oder sonstwie ideologisch vorbelastet sind, kriegen bei solchem Schwachsinn das kalte Kotzen, allein schon wegen der Begriffsverwirrung. Unabhängig von der schludrigen Verwendung des Begriffs Medii Aevi wird das Thema plattgehauen, als gings nochmal um das Schmieden der Nägel für Kirchtürerlässe.
Besonders wiederwärtig sind 2 Dinge: Die Reduktion einer grossen Bewegung und des Vordenkers Melanchthon zugunsten eines antisemitischen Pfäffleins, der durch die Jahrhunderte seine Popularität seiner Gossenschriften verdankte, und eben nicht einer sauberen, intellektuell radikalen Argumentation wie Melanchthon. Luther ist zu Melanchthon das, was Jörg Haider zu Heiner Geissler ist.
Zum anderen die Schilderung des Mittelalters: Das, was heute allgemein mit finsterem Mittelalter verbunden wird - Folter, Hexenverbrennung, Elend in den Dörfern, Seuchen, Hungersnöte - ist eher Neuzeit denn Mittelalter. Das Mittelalter war ab den Saliern des 11. Jahrhunderts eine ökonomische und philosophische Boomphase, der selbst die Pest nicht allzu viel anhaben konnte.
An den spät einsetzendenden Klimaveränderungen der sog. kleinen Eiszeit ist Luther nicht schuld, aber mit ihm und seinem Schweizer Kollegen Zwingli haben sich in der Reformation zwei Typen als Hauptfiguren durchgesetzt, die der Bewegung eine tragische Richtung gaben: Eine bigotte, dumpf-reaktionäre und negative Auffassung von Mensch und Staat, die sich im Kern auf das De Civitate Dei von Augustinus aus dem 5. Jahrhundert berief - und das ist nun wiederum eine Ideologie, die hierzulande verfassungsfeindlich wäre und schon im Mittelalter weitgehend überwunden wurde.
Anders gesagt: Luther war der Knilch, der ein gutes Jahrtausend Diskussionen und philosophische Konzepte wegkippte und zurückging in das 5. Jahrhundert. Gehen Sie direkt zur Katastrophe. Gehen Sie nicht über kluge Köpfe wie Marsilius von Padua oder Agricola Pelagianus, ziehen sie keine philosophische Erkenntnis ein.
Machen Sie einfach alle Fehler nochmal, es spielt keine Rolle, nach nur 500 Jahren kommen wieder so ein paar Schreiberlinge und stellen sie in ein gutes Licht.
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thestranger,
Mittwoch, 17. Dezember 2003, 16:29
Danke!
Perfekt zusammengafasst. Aber neu ist das nicht, der Spiegel vermasselt jedes Jahr vor Weihnachten eine Nummer mit historischem Unsinn (letztes Jahr warens die 'Germanen' - die historischen Erkenntnisse der letzten 75 Jahre völlig ignorierend).
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uceda,
Mittwoch, 17. Dezember 2003, 20:07
Schnaub...
Ich kreig jedesmal die Krätze, wenn sich die Meinungsmacher an die Zeit vor 1900 ranmachen. Keine Ahnung, aber irgendein Experte mit einer knallig aufgesexten Story findet sich immer, dann noch die lockere Schreibe drüber, fertig ist der Müll, aber dann jammern, dass die Bildung so mies ist ... grrrrr... aber bitte. gern, schalten Sie auch morgen wieder ein, wenn sie Uceda sagen hören wollen: "War aber wenig dran, an dem Knochen."
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