Donnerstag, 4. Dezember 2003

Haarscharf interkonfessionelles
Und dann war da noch der rote kleine Seat. Auf dem Heimweg nach München, auf der Potsdamer Strasse. Rechts vor mir. Hinter mir kam ein silberner Mercedes angerauscht. In diesem Moment geschah alles simultan.

Der Seat scherte aus, zog auf meine Spur und versuchte, sich noch schnell auf die Linksabbiegerspur zu drängeln. Falung Gong - Free the chinese Victims! - las ich auf einem winzigen Aufkleber, der auf dem Heck prangte. Eigentlich kann man das nur lesen, wenn man mit der Nase am Auto klebt.

Das Licht der Scheinwerfen des Dränglers hinter mir verblasste nach rechts. Er wollte rechts vorbei. Unterholen. In meinem Nacken dröhnte sein Motor. Egal. Sein Pech. Geradeaus nagle ich den schicksalsergeben Falung-Freund direkt in die Verkehrsinsel. Also Vollgas auch rüber.

Nur ein paar Zentimeter, und ich hätte dem Falungi den Po gepudert. Hinter mir schrien Reifen wie eine verdammte Seele. Dann brabbelte wieder was, und ein paar Sekunden später schoss der Mercedas hupend vorbei. Jetzt wieder links. Am Heck war ein Aufkleber: Jesus liebt Dich.

Auf meinem Wagen ist kein Aufkleber, von wegen: Do it da Uzi Style. Aber in Israel habe ich mir mal eine Panzerfahrerbrille gekauft; so ein altmodisches Ding aus Chromblech und echten Gläsern. Die hängt im Auto am Rückspiegel.

Ich berührte das kalte Metall und dachte, was für ein Gefühl es sein muss, in einem Panzer zu sitzen, und zu wissen, wie schnell so ein Mercedes mit Jesus liebt Dich Aufkleber ist. Schneller als ein Seat. Aber nur maximal 10% der Geschwindigkeit, mit der eine Granate das Kanonenrohr verlässt.

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"Kultur"-Radio
O mei. Die Zeit, das führende Brandbeschleunigungspapier der gutbürgerlichen Kachelöfen, regt sich ernsthaft über das Ende der Kulturradios auf. Oder über das, was sie dafür halten.

Dabei kann man durchaus auch die Frage stellen, wer diese Kultur eigentlich noch gehört hat. Wer zum Radio ging und genau diese eine, meistens irrwitzig teure und mit verrücktem Aufwand produzierte Egoshow einiger Redakteure rezipiert hat. Zum Beispiel das tränenreiche 24-Minuten-Feature über den Synagogenbau in Deutschland, aus dem so viel falsche Betroffenheit trieft wie aus der typischen Sonntagsrede eines Politikers - und sich die Macherin auf der anderen Seite nicht zu blöd ist, synagogale Musik als Musikbett unter O-Töne zu klatschen. Was der Typ da singt ist egal, solange es nur traurig klingt.

Oder die Kulturkommentare, in denen versucht wird, mit den Kollegen vom FAZ-Feuilleton zu konkurrieren, mit 10 Fremdwörtern und 5 Nebensätzen pro Satz. Oder Beiträge, die mit zeigefingrien Abschweifungen zur traurigen Lage der Kulturnation auf 12 Minuten gestreckt werden. Nur die Ähs schneidet man natürlich nicht aus den O-Tönen - da müsste man ja digital arbeiten, und so ein echter Kulturredakteur hat ja eine Aufnahmeleitung und einen Tekkie, die das alles auf schönem, alten Band machen.

Kost ja nur Gebühren. Man liegt jedes Jahr gut 10% über dem Etat, aber das haben die öffentlich-Rechtlichen irgendwie schon wieder reinbekommen. Wenn es darum ging, dass es vielleicht etwas hörerfreundlicher wird, brach immer der Untergang des Abendlandes an. Jingles oder ein einheitliches Sounding konnte man diesen Leuten nicht zumuten. Und sobald es ein paar zögerliche Reformen gibt, kommen die Kumpels von der Zeit und pisaen rum, bevor sie wieder ein hochspannendes Buch über die Lyrik des Biedermeier unter besonderer Berücksichtigung der Kulturkritik Heines bringen.

Heine würde heute wahrscheinlich FM4 hören. Salon Helga. Und Luna Luce. Und sich freuen, wenn ein paar von den Huch äh Hochkulturnasen mal das reale Leben der Gebührenzahler mitbekommen, auf den Fluren des Arbeitsamtes.

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Chanukka Hämmer I
Weihnachten ist ein recht besinnliches Fest. Unsere christlichen Mitbürger feiern ein Ereignis, das nach ihrer Interpretation "still" und "heilig" ist. Das ist ein Fluch für Gameproduzenten, Splattervideovertriebler und Krimiautoren jeder Coleur. Bei Gewalt und Sex gibt es immer noch eine gewisse Zurückhaltung.

Wir feiern in der gleichen Zeit dagegen Chanukka. Chanukka geht auf einen etwas anderen Anlass zurück; vor rund 2200 Jahren war Israel von den Syrern besetzt, die versuchten, die jüdische Relgion zu verbieten. Das war keine so gute Idee: Unter Judas Maccabäus (dt. der Hämmerer) erhob sich dieses raue, unzivilierte Völkchen der Hebräer und zeigt, was eine jüdische Harke ist. Am Ende vertrieben sie die Syrer und nahmen sie Jerusalem und den Tempel ein - und diese Rückeroberung ist der Anlass für Chanukka.

Insofern ist es weniger problematisch, wenn unter dem Chanukka-Leuchter etwas Härteres liegt. Da wäre zum Beispiel unser Beitrag zum B-Movie-Business: Kung Fu Jew. Haaa-i-Oy! Chackie chan einpacken, wenn Tzadik Yossi und Shazzam Shabazz Shabbat Shalom kommen. Sollte in keiner Videothek eines angehenden Kickbox-Stars fehlen, ist mit seinen Refernzen an das Talmudstudium aber auch ein Spass für die ganze Familie. Heute bestellt, ist der Streifen rechtzeitig zu Chanukka da.

Und wenn einen dann so ein fett krasser Typ in Rot vorm Woolworth anmacht, von wegen, ob man was haben will, oder auch noch sein Kumpel mit Rute kommt, dann kann man konkret die Martial Arts gleich anwanden. Ich schwör.

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