Samstag, 20. Dezember 2003

Chanukka Hämmer Teil 7, 8, 9, 10
oder was für Amazonien - aber linken tu ich nicht..

Vor ein paar Jahren noch hielten sich die Verlage ihre Juden wie einen Goldesel. Am Besten war ein dynamischer amerikanischer Jude, ein nachdenklicher deutscher und ein kraftvoller israelischer Jude, die jedes Jahr ein Buch abzuliefern hatten, vor dem dann bittschön die Kulturredaktionen zu knien hatten. Dazu kam dann noch ein Überlebender mit seiner Autobiographie. Die Verlage verdienten sich an dieser Kombination dumm und dämlich - bis 2001. Seitdem laufen Juden ziemlich schlecht, die Shoa ist definitiv durch, trotz aller Versuche, Sensationen draus zu machen - Bestseller werden dagegen Bücher über Landser und ein mutmassliches Fake namens "Eine Frau in Berlin".

Ganz gleich, ob Etgar Keret, Faye Kellermann oder Hendryk Broder: Jüdische Autoren liegen im Moment wie Blei in den Regalen. Oder werden, wie Maxim Biller, verrissen und in Grund und Boden geklagt.

Im Grunde war er früher besser - davon legt das Biller Lesebuch bei dtv Zeugnis ab (wow, wie hochgeistig heute!). Von den frühen Texten, mit denen er sich den Ruf des Hass-Billers erschrieben hat, bis zu den späteren Geschichten, wo sich die Boshaftigkeit weissglühenddurch die lakonische Sprache frisst, spannt sich ein langer, dicker und preislich angenehmer Bogen - Hammer No. 7.

Die wenigen erfolgreichen Romane im Sinne von "Umsatz" und "Auflage" kommen dann konsequent von Autoren, die in Sachen Judentum unter falscher Flagge segeln. Uns sind derer 2 in die Hände gefallen.

Mit dem Buchmessen-Schwerpunkt Russland rutschte Gary Shteyngart ins Rampenlicht, obwohl er Amerikaner russischer Herkunft und jüdischer Abstammung ist. In seinem durchgeknallt witzigen Roman Handbuch für den russischen Debütanten erzählt er vom Leben und Sterben in der russischen Mafia in einem fiktiven Russland. Es der etwas andere Bildungsroman, es ist rotzfreche Popliteratur mit viel Lust an Gewalt und Niedertracht. Pulp Fiction mit Witz, Charme, russischer Exotik und jüdischer Überdrehtheit, eine ideale Zitatensammlung für unsere eigenen Mobster - und beim Berlin Verlag erschienen - Hammer No. 8.

Pulp Fiction hiess es auch über den New Economy Roman Liquide von Don Alphonso. Bitterböse und zynisch beschreibt er den Untergang der Dotcom-Ära. Fies, brutal und psychopathisch sind alle Helden, aber der gemeinste, brutalste ist ein Jude, dem nichts, und schon gar nicht sein Judentum heilig ist. Das alles ist im typischen, zersetzenden jüdischen Humor geschrieben, und vergleicht den Terror der Ökonomie mit dem Terror in den Autonomiegebieten - die jüdische Harke für New Media People beim Schwarzkopf Verlag. - Hammer No. 9.

An einer Stelle gibt der Autor zu, von Lion Feuchtwanger geklaut zu haben. Es handelt sich dabei ziemlich eindeutig um Feuchtwangers Debutroman "Der tönerne Gott". Auch dieses Buch ist Pop, obwohl es schon fast 100 Jahre alt ist. Es handelt von einem jungen Juden aus der guten Gesellschaft, der reich und gewissenlos sein eigenes Leben und das seiner Mitmenschen vor die Wand setzt. Das Böse ist dabei wie immer banal und grundlos; es liegt in den Menschen und der Natur der Gesellschaft. Es ist eine gnadenlose Abrechnung mit der gekünstelten Welt des Jugendstils; es legt die Strukturen dahinter bloss und seziert erbarmungslos die ewige Bestenliste der menschlichen Triebfedern: Gier, Gemeinheit, Gleichgültigkeit und Geld (nicht aber die Sucht eines Schreiberlings nach Alliterationen). Bret Easton Ellis kann´s auch nicht besser - erschienen ist der tönerne Gott bei Aufbau als Taschenbuch- Hammer No. 10.

mal gucken... 1 Lästerer aus den trendy 80ern, 2 brutale Knaller, ein böser Klassiker; ja, das dürfte unter dem Chanukka-Leuchter gut kommen.

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ich danke dir.

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Nebenbei
weil Du "Eine Frau in Berlin" erwähnst, noch der Hinweis auf "Ich fürchte die Menschen mehr als die Bomben", Hrsg. Claudia Schoppmann. Hab ich selbst beide nicht gelesen, meine Empfehlung gilt einem anderen Titel:

"Im Fluchtgepäck die Sprache. Deutschsprachige Schriftstellerinnen im Exil". C. Schoppmann ist ein biographischer Fuchs (sie hat sich schon zehn Jahre vor dem Hype mit Erika Mann beschäftigt) und das Buch bietet viele Anregungen zum Weiterlesen, was kaum bekannte Bücher angeht. Ich hab mir daraufhin "Klatsch, Ruhm und kleine Feuer. Biogaphische Impressionen" (1963) von Ruth Landshoff-Yorck aus dem Gasteig ausgeliehen.

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