Dienstag, 13. April 2004

Gerade gemerkt
es gibt höllisch viele christlich motivierte Blogs da draussen. Weitgehendst ironie- und schmerzfrei, und mit dem Bewusstsein einer Dampfwalze. Nicht alle, aber manche. Manchmal das Blog zur aktuellen, hirnrissigen Spiegel-Coverstory. Von wegen, es hätte einen Mord an Jesus gegeben.

Vielleicht hätte man eher mal die Frage angehen sollen, ob es diese Person überhaupt gab - für jeden halbwegs unparteiischen Historiker ist klar, dass die Quellenlage mehr als dünn ist. Für die Antike bedeutet die Quellenlage in etwa so viel, wie: Kann man unmöglich genaues zu sagen. Die früheste nichtchristliche angebliche Nennung bei Flavius Josephus jedenfalls ist eine Fälschung, und die "Christenverfolgung" unter Nero berüht auf einer Fehlinterpretation von Tacitus Annalen - sagt die Wissenschaft, die sich natürlich gegen Hollywood und die dort verbreiteten Glaubensinhalte a la Ben Hur schwer tut.

Als ich Patristik gemacht habe, gab es in dem entsprechenden Seminar in München 2 Gruppen: Die einen stürzten sich mit Begeisterung auf die frühe Kirchengeschichte, lasen die Quellentexte, den Eusebius, den Chrysostomos, den Ambrosius von Mailand, alles in schweren Jugendstilbänden. Das waren die Atheisten. Andere hingegen konzentrierten sich nur auf die Sekundärliteratur im flipsigen, modernen Softcover, und hier auch nur aus den Theologieinstituten, die Kaiser Constantin schönredeten - das waren die überzeugten Christen.

Das gab dann im Seminar immer heisse Debatten - aber es war schon beängstigend, wie manche Wissenschaftler einfach alles, was man ihnen im Studium an Kritikfähigkeit und eigenem Denken beigebracht hat, über Bord werfen, wenn´s um den Glauben an, salopp gesagt, Christkind und Osterhasen geht.

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Pessach, kurz vor Schluss
Es wird langsam Zeit für ein Ritual, das, hm, ein ziemlich seltsames Licht auf die Gesetzestreue der Juden wirft: Das Zurückkaufen des Chamez. Chamez sind die gesäuerten Wahren wie Pasta, Pizza, Bier, eingelegte Gurken, die in einem gläubigen jüdischen Haushalt über Pessach nicht verbleiben dürfen.

Das war früher kein Problem, als es noch keine Kühlschränke und Dosen gab. Gesäuertes war ohnehin bald über dem Jordan, also konnte man getrost zu Beginn von Pessach alles Gesäuerte verbrennen - wenn man es nicht in den üblichen Pre-Pessach-Parties mit Freunden wegass.

Heute würde das konsequente Verbrennen gesäuerter Speisen nicht nur Probleme mit der Brandverordnung mit sich bringen, sondern auch, puh, ich darf gar nicht daran denken, was alles in meinem Kühlschrank, ne, also ECHT NICHT. Mein Kühlschrank ist mitsamt Füllung unantastbar!

Wäre ich jetzt observant und würde mich daran halten, gäbe es 1 Rettung: Der Verkauf des Chamez. Das heisst: Alles Gesäuerte wird zu Beginn von Pessach für einem symbolischen Preis an einen Rabbiner oder an einen nichtjüdischen Verwandten verkauft. Wenn der heutige Tag vorbei ist, kauft man das Chamez wieder zurück. Damit besass man, wie in der Halacha angeordnet, tatsächlich während Pessach kein Chamez.

Klingt wie ein billiger Trick? Pah!



In den einschlägigen Zeitschriften der Ultraorthodoxie werden dafür entsprechende Kaufverträge zur Verfügung gestellt. Applied religion, wenn man so will. Gottes Werk und des Rabbiners Beitrag.

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